akjha1_ DEA  M. BORCHIDe AgostiniGetty Images_singapore skyline DEA/M. BORCHI/De Agostini/Getty Images

Städte für Menschen

SINGAPUR – Dantes Göttliche Komödie beschreibt eine Ebene der Hölle (die Stadt Dis) als „Satans erbärmliche Stadt.... voller Not und Qualen...”. Er hätte damit durchaus viele moderne Metropolen beschreiben können.

Die Welt, insbesondere die Sahelzone und Asien, erlebt eine massive Welle der Urbanisierung. Und doch geschieht dies weitgehend ohne eine nenneswerte Stadtplanung, wobei selbst die Gemeinden, die versuchen, Pläne zu erstellen, es oft versäumen, diese effektiv durchzusetzen oder die Bedürfnisse der Mehrheit angemessen zu berücksichtigen. Das Ergebnis sind überfüllte, schmutzige und ungeordnete Städte, die die Gesundheit und das Glück der Bewohner aufs Spiel setzen.

Bei der Planung unserer Städte haben wir die Autos über die Bedürfnisse der Menschen gestellt und uns allzu oft auf die Erreichbarkeit der Orte für Privatfahrzeuge konzentriert (während Fußgänger und Radfahrer für Jaywalking bestraft werden). Dieser Ansatz verursacht einen nahezu permanenten Verkehrsinfarkt sowie starke Umweltverschmutzung. Der durchschnittliche Fahrer in Los Angeles verbringt 102 Stunden pro Jahr im Berufsverkehr. In Jakarta startet und stoppt der Durchschnittsfahrer mehr als 33.000 Mal im Jahr.

Nicht zuletzt wegen dieser Überlastung sind Städte für 70 Prozent der globalen Kohlenstoffbelastung verantwortlich. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass rund 90 Prozent der Menschen weltweit verschmutzte Luft atmen. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen erfüllen 98 Prozent der Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern die Luftqualitätsrichtlinien der WHO nicht.

Was die Unterbringung betrifft, so bedeutet eine schlechte Raumordnung, dass das, was in vielen Städten auf einen existenzsichernden Lohn hinauslaufen sollte, bei weitem nicht ausreicht, um für eine angemessene Wohnung zu bezahlen. Nach Angaben des Programms der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen leben fast eine Milliarde Menschen in Slums, und diese Zahl könnte sich bis 2030 verdoppeln. Darüber hinaus sind die Stadtviertel, wie jüngste Forschungen zeigen, oft nach Rasse, ethnischer Zugehörigkeit und Einkommen getrennt - ein großes Hindernis für die soziale Mobilität, auch über Generationen hinweg.

Aber wir haben die Chance, das zu ändern. In den nächsten 20 Jahren wird die Welt so viel städtischen Wohnraum und die dazugehörige Infrastruktur bauen, wie in der gesamten Menschheitsgeschichte gebaut wurde. Und viele Städte in reichen und armen Ländern sind vorbildlich in Sachen nachhaltige, integrative, lebenswerte und schöne Stadtgestaltung.

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Singapur hat das umgesetzt, was Jan Gehl „Design nach menschlichem Maß” nennt. Die Stadtteile werden vom Bewohner aus gedacht, was die Bürger stärkt und die Vielfalt betont, wodurch das Entstehen von Ghettos durch die Bereitstellung von Wohnungen für unterschiedliche Einkommensniveaus sowie durch den Zugang zu hochwertigen öffentlichen Verkehrsmitteln, Gesundheit und Bildung verhindert wird.

Auch der ehemalige Bürgermeister von New York City, Michael Bloomberg, und die für Verkehr zuständige Kommissarin Janette Sadik-Khan investierten trotz starken Widerstands in geschützte Radwege und öffentliche Verkehrsmittel. In London, Singapur und Stockholm werden seit langem Gebühren für Staus erhoben, um die Bürger vom Fahren abzubringen. Im März wird London einen Schritt weiter gehen - wie es Chengdu, Madrid, Paris und andere bereits getan haben -, indem es Autos in Kerngebieten der Stadt ganz verbieten und ultra-niedrige Emissionszonen schaffen wird. Amsterdam, Tokio und Kopenhagen zeigen uns, dass die Gestaltung schmalerer Stadtstraßen den Verkehr verlangsamt und die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern erhöht.

Von Bogotá, Kolumbien, bis Dar es Salaam, Tansania, haben Städte auf der ganzen Welt eine Bus-Schnellbahn eingeführt, die im Wesentlichen wie ein U-Bahn-System funktioniert, aber billiger und schneller zu bauen ist. Entlang der ausgewiesenen Busspuren entstehen dichte städtische Korridore.

Einige Städte haben auch die Art von Parkreformen eingeführt, die seit langem vom Donald Shoup der UCLA befürwortet werden. Dazu gehören die Abschaffung der Mindestparkanforderungen für Gebäude und die Einführung einer dynamischen Preisgestaltung, die 5-10 Prozent der Parkplätze freihält und die Einnahmen in die Nachbarschaft zurückführt.

Gleichzeitig muss der Wohnbau nicht mehr als Investitionsgut positioniert und gefördert werden, sondern der Mietwohnraum kann für alle Einkommenssegmente, vor allem aber für Menschen mit Bedarf an bezahlbaren Unterkünften, wie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, im Vordergrund stehen. Darüber hinaus sollten zonale und regulatorische Barrieren für den Bau neuer erschwinglicher Wohnungen abgebaut werden, wobei in der Nähe des öffentlichen Verkehrs Gebiete mit hoher Dichte gemischter Nutzung entwickelt werden. Zu diesem Zweck können nach dem Vorbild von Kopenhagen mehr Städte öffentlich-private Partnerschaften nutzen, um den großen Bestand an ungenutzten Flächen im Besitz öffentlicher Einrichtungen zu erschließen. Eine sorgfältige Planung von Gebäuden kann deren Energieeffizienz erhöhen, so dass sie mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Norwegen ist ein Pionier auf diesem Gebiet.

Um diese Investitionen zu finanzieren, benötigen die Städte schließlich stabile Einnahmequellen. Zu oft erschließen die Städte nicht das volle Potenzial der landgebundenen Finanzierung, insbesondere der Grundsteuer. Doch Satellitenbilder und Drohnenkartierungen können den Steuerbehörden nun innerhalb weniger Wochen ein „fit for purpose”-Kataster liefern, das zeigt, wie Land besetzt und genutzt wird.

Mit sorgfältiger Planung, Zusammenarbeit, Kommunikation und Konsens können Städte das Leben ihrer Bewohner verändern. Initiativen wie die Global Platform for Sustainable Cities der Weltbank und die City Planning Labs unterstützen die Bemühungen der Städte, indem sie den Wissensaustausch und die evidenzbasierte Stadtplanung erleichtern. Wenn wir jetzt tun, was nötig ist, um eine integrative, widerstandsfähige und nachhaltige Urbanisierung zu gewährleisten, kann Dantes Stadt Dis in ihrer imaginären Hölle bleiben.

Aus dem Englischen von Eva Göllner.

https://prosyn.org/EwP1SG6de