Flooded road in Asia.

Klimagerechtigkeit

ISLAMABAD – Es ist eine bittere Ironie des Klimawandels, dass häufig diejenigen am meisten unter den katastrophalen Folgen leiden, die am wenigsten für das Problem verantwortlich sind. Und wenn es ein Land gibt, das von sich behaupten kann, Opfer dieser Klima-Ungerechtigkeit zu sein, dann ist es Pakistan. Während sich die Staats- und Regierungschefs auf die Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Paris vorbereiten, leidet Pakistan unter den Folgen verheerender Überschwemmungen, die Gebäude beschädigt, Ernten vernichtet, Brücken weggespült und 238 Todesopfer gefordert haben.

Wetterbedingte Tragödien sind nicht neu für Pakistan; was sich geändert hat ist ihre Häufigkeit und Intensität. Es kommt inzwischen jedes Jahr zu tödlichen Überschwemmungen; 2010 haben Rekord-Niederschläge fast 2.000 Todesopfer gefordert und Millionen von Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Während Pakistan einen der weltweit entschlossensten Kämpfe gegen den Terror führt, sorgen zunehmend drastische Wetterereignisse für steigende Nahrungsmittel- und Trinkwasserkosten, gefährden die Energieversorgung, beeinträchtigen die Volkswirtschaft und stellen eine ernste und kostenintensive Bedrohung der Sicherheit dar.

Es bestehen kaum Zweifel, dass die Klimaprobleme des Landes, zumindest teilweise, auf die Treibhausgasemissionen zurückzuführen sind, die von industrialisierten Ländern seit Beginn der Industriellen Revolution in die Luft geblasen werden. Sogar heutzutage produziert Pakistan weniger als 1% der weltweiten Emissionen. Gleichzeitig wird Pakistan durchweg zu den Ländern gezählt, die aufgrund seiner demografischen Merkmale, Geografie und natürlichen klimatischen Bedingungen besonders durch die schädlichen Auswirkungen des Klimawandels gefährdet sind.

Von 1994 bis 2013 hat der Klimawandel Pakistan durchschnittlich 4 Milliarden US-Dollar pro Jahr gekostet. Im Vergleich dazu hat Terrorismus im Jahr 2012 zu Verlusten in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar geführt. Wenn das Land nicht unter Überschwemmungen leidet, ist es von Wasserknappheit betroffen und rangiert Angaben der Asiatischen Entwicklungsbank zufolge unter den am stärksten von Wassernot betroffenen Ländern weltweit. Und der Klimawandel verschlimmert beide Probleme, indem er die Gletscher und den Schnee schmelzen lässt, die dazu dienen, den Wasserkreislauf auf natürliche Weise zu regulieren, während zunehmende Erosion durch Überschwemmungen unterdessen zur Versandung großer Wasserreservoirs beiträgt.

Steigende Temperaturen erhöhen derweil die Wahrscheinlichkeit von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten und gefährden so die landwirtschaftliche Produktivität und setzen die Bevölkerung zunehmend häufigen Hitzewellen aus. Steigende Meeresspiegel sorgen für eine zunehmende Versalzung von Küstengebieten, schädigen Mangroven und gefährden die Laich- und Brutgebiete zahlreicher Fischarten. Und höhere Meerestemperaturen führen zur Entstehung häufigerer und gefährlicherer Wirbelstürme und gefährden die Küste des Landes.

Die Aussichten für die Zukunft sind nicht minder besorgniserregend: eine Verschärfung der Wassernot, mehr flutartige Überschwemmungen und die Erschöpfung der Wasserreservoirs des Landes. Prognosen lassen darauf schließen, dass ein durchschnittlicher Temperaturanstieg von 0,5 Grad Celsius bis 2040 acht bis zehn Prozent der Ernten in Pakistan vernichten kann.

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Es darf nicht Pakistan allein überlassen werden, diese Last zu schultern. Bislang sind bei den internationalen Klimakonferenzen bestenfalls schrittweise Fortschritte erzielt worden. Die Lobbys der fossilen Energiewirtschaft, zögerliche Regierungen in Industrieländern und das mangelnde politische Engagement der Wähler haben die Schaffung eines soliden Abkommens zur Verringerung der Treibhausemissionen verzögert und behindert. Die Erwartungen für einen Durchbruch bei der Bekämpfung des Klimawandels in Paris sind zwar optimistisch, es muss jedoch ein Vorstoß für eine gerechte Verteilung der Kosten der globalen Erwärmung unternommen werden.

Obwohl die Mittel für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels und dessen Abmilderung in den Entwicklungsländern aufgestockt worden sind, ist Pakistans Anteil nach wie vor verschwindend gering, gemessen an den Katastrophen, von denen das Land allein in den vergangenen fünf Jahren heimgesucht wurde. Angaben des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen zufolge werden sich die durchschnittlichen jährlichen Kosten der Anpassung an den Klimawandel bis 2050 in Pakistan auf 6-14 Milliarden US-Dollar belaufen. Die Kosten der Abmilderung werden mit weiteren 17 Milliarden Dollar pro Jahr zu Buche schlagen.

Während der Klimawandel weiter seinen schrecklichen Tribut fordert, kann Pakistan nicht zulassen, dass die Schäden in Milliardenhöhe, die ihm durch die größten Umweltverschmutzer der Welt zugefügt werden, unbezahlt bleiben. Unabhängig von der Übereinkunft, die letztlich in Paris erzielt wird, müssen die Verhandlungsführer der Klimakonferenz sicherstellen, dass die Verluste, die aus globalen Emissionen erwachsen sind, fair verteilt werden und nicht länger allein denen aufgebürdet werden, die den größten Schaden erleiden.

Als einer der kleineren Verursacher von Umweltschäden ist es Pakistans gutes Recht, sich um Ressourcen und Gelder zu bemühen, um die Folgen von Problemen zu bewältigen, für die es nicht verantwortlich ist. Für viele andere Länder gilt das Gleiche. Unsere Forderung eines verbindlichen internationalen Mechanismus zur Verteilung der Last des Klimawandels – ein Mechanismus, der für Klimagerechtigkeit sorgen soll – darf in Paris nicht auf taube Ohren stoßen.

Aus dem Englischen von Sandra Pontow.

https://prosyn.org/RUUimNLde