Gibt es eine Immobilienblase?

Auf der ganzen Welt verkünden Zeitungen lautstark die Neuigkeit vom bevorstehenden Platzen einer ,,Immobilienblase". In zahlreichen Artikeln mit Überschriften wie ,,Heißluftschlösser" warnte das britische Wirtschaftsmagazin The Economist vor dieser Entwicklung. Das Wall Street Journal schlug mit Schlagzeilen wie ,,Steigende Immobilienpreise schüren die Angst vor der Blase" in dieselbe Kerbe. Le Monde in Frankreich warnte vor der ,,Wachsenden Bedrohung durch die Immobilienblase", und das australische Blatt The Sydney Morning Herald diagnostizierte eine möglicherweise ,,Unheilvolle Immobilienblase".

Sind solche Ängste gerechtfertigt? Woran erkennen wir, dass sich der Immobilienmarkt in einer Blase befindet?

Der Ausdruck ,,Blase" wird zwar oft verwendet, aber selten definiert. Eine Blase tritt auf, wenn die allgemeinen Erwartungen über zukünftige Preissteigerungen aus den Fugen geraten und die Preise dadurch in untragbare Höhen ansteigen. In diesem Fall kaufen viele Menschen Immobilien als Geldanlage, um sie dann weiterzuvermieten. Noch viel mehr Menschen kaufen sich Immobilien, um selbst darin zu leben, aber sie verhalten sich dabei ähnlich wie Investoren. Sie befürchten, dass sie bei längerem Zuwarten vom Markt verdrängt werden könnten.

Während sich eine Blase aufbläht bleiben die Käufer von den hohen Preisen relativ unbeeindruckt, weil sie glauben, dass noch größere Preissteigerungen sie vor Verlusten bewahren werden. Wenn die Erwartungen hinsichtlich eines raschen und beständigen Preisanstiegs wichtige Motivationsfaktoren darstellen, ist das Preisniveau naturgemäß instabil, da die Preise ja nicht ewig steigen können. Letztlich platzt die Blase und die Preise fallen.

Zumindest ein Aspekt einer Immobilienblase ist momentan sichtbar: rasche Preissteigerungen. Seit dem Jahr 2000 ist es in allen Industrieländern, mit Ausnahme von Deutschland und Japan, zu einer Erhöhung der Eigenheimpreise gekommen.

Die zentrale Frage ist aber, ob Erwartungen hinsichtlich hoher Preissteigerungen in der Zukunft den Markt aufrechterhalten. Wenn das Verhältnis zwischen den Durchschnittseinkommen und Eigenheimpreisen stabil ist, können die Preise mit den grundlegenden Theorien der Ökonomie erklärt werden.

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Der Anstieg der Eigenheimpreise in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wird heute als das klassische Modell eines in der Pleite endenden Booms angesehen. Nach enormen Preisanstiegen, die um 1990 ihren Höhepunkt erreichten, kam es von Boston über Los Angeles, London, Sydney und Tokio zu einem Preisverfall, der zu regionalen Rezessionen beitrug. Werden dem gegenwärtigen Preisanstieg ähnliche oder noch schlimmere Zusammenbrüche folgen?

Die Beweise für eine Immobilienblase in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren zwingend. Die Käufer waren von starken Erwartungen über zukünftige Preissteigerungen beseelt und das Risiko erschien ihnen gering. Aus den Daten einer Umfrage, die ich gemeinsam mit meinem Kollegen Karl Case im Jahr 1988, während des Booms in den USA, durchführte, geht hervor, dass informelle Mundpropaganda über aufregende Gewinnerwartungen eine große Rolle bei der Kaufentscheidung spielte. Zudem gab es unter den Käufern keine Einigkeit über die Gründe des Preisanstiegs und auch keine stichhaltige Analyse der ökonomischen Grundlagen.

Heuer führten wir eine weitere Umfrage unter amerikanischen Käufern durch, die sich zwischen März und August 2002 ein Eigenheim gekauft hatten. Für die überwiegende Mehrheit dieser Käufer war der das Motiv der Geldanlage ein ,,Hauptgrund" oder zumindest ,,teilweise" ein Motiv für ihre Kaufentscheidung. Heuer sagten allerdings im Vergleich zu 1988 viel weniger Hauskäufer, dass sie ,,ausschließlich aus Gründen der Geldanlage" kauften. Die Voraussetzungen einer Blase scheinen daher gegeben, allerdings in geringerem Ausmaß als 1980.

Diese Entwicklung findet aber nicht nur in den USA statt. In Europa liegt das durchschnittliche Verhältnis zwischen Eigenheimpreisen und Einkommen knapp unter dem langjährigen Durchschnitt, vor allem weil sich die Eigenheimpreise in Deutschland, gemessen an diesem Verhältnis, auf einem historischen Tiefstand befinden. In Frankreich, Italien und Belgien liegt das Verhältnis ungefähr im langjährigen Durchschnitt, während es in Spanien, den Niederlanden und Irland um 40- 50 % darüber liegt. Auch in Australien bewegt sich dieses Verhältnis bei Werten, die früheren Zusammenbrüchen vorangegangen waren.

Hier handelt es sich um Durchschnittswerte für ganze Länder, aber manche Regionen sind höher überbewertet als andere. Dies gilt vor allem für ,,Glamour-Städte", wo sich die internationale Prominenz tummelt und Unterhaltungsindustrien, Universitäten von Weltrang oder Hochtechnologie-Industrien angesiedelt sind. Die Eigenheimpreise in diesen Städten sind ebenso hoch wie unbeständig.

Die Umfragen in den Jahren 1988 und 2003 zeigten, dass die Erwartungen hinsichtlich der Preise das zentrale Thema sind. In beiden Boom-Phasen erwarteten ungefähr 90 % der Befragten einen Preisanstieg bei Eigenheimen in den darauffolgenden Jahren. Die größten Erwartungen hatte man an den Zeitraum der nächsten 12 Monate. In San Francisco erwartete man sich heuer sogar einen Anstieg um über 15 %. Die langfristigen Erwartungen lagen beinahe ebenso hoch.

So ist die heute stattfindende Mundpropaganda über aufregende Immobilienpreissteigerungen mit der des Jahres 1988 vergleichbar. In den ,,Glamour-Städten" erscheinen Zeitungsartikel über Eigenheime, die weit über dem geforderten Preis verkauft wurden. In der heuer durchgeführten Umfrage gaben 45 % der Befragten an, ihre Immobilien in San Francisco über dem geforderten Preis verkauft zu haben. Mehr als 20 % der Verkäufer auf allen Märkten gaben an, sie hätten ihre Immobilien gleich rasch verkaufen können, wenn sie dafür um 5 % oder 10 % mehr verlangt hätten.

Trotzdem zeigen die Umfragen, dass die amerikanischen Eigenheimkäufer kein so großes Vertrauen in die Immobilienpreise haben wie im Jahr 1980 vor dem Platzen der Blase. Das könnte bedeuten, dass die Käufer diesmal die Preise nicht so weit absinken lassen werden wie beim letzten Mal. Andererseits könnte es aber auch bedeuten, dass die Eigentümer heute schneller bereit sind, den Markt zu verlassen. Dadurch könnte sich der Preisverfall, vor allem in den ,,Glamour-Städten" und in Regionen mit schwacher Wirtschaft noch vervielfachen.

Die Folgen könnten nicht nur in den USA schwerwiegend sein, wo im letzten Jahr 21 % der Hypotheken für mehr als 90 % des Kaufpreises eines Eigenheims verwendet wurden. Am Höhepunkt des Booms in den späten achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts waren es 7 %. Die Schulden australischer Haushalte sind im letzten Jahrzehnt von 55 % auf 130 % des zur Verfügung stehenden Einkommens gestiegen. In den Niederlanden hat sich der Schuldenstand der Haushalte auf 180 % beinahe verdoppelt. Dort beträgt die durchschnittliche Hypothek 110 % der Eigenheimwerte, da die Kreditgeber bereitwilligst alle Kaufkosten finanzieren.

Aus der geschichtlichen Perspektive betrachtet, ist ein Preisverfall bei Eigenheimen meistens lokal begrenzt. Landesweite Preisstürze sind unwahrscheinlich. Das sollte die makroökonomischen Auswirkungen von platzenden Blasen abmildern. Die schlechte Nachricht ist allerdings, dass viele Haushalte durch Anhäufung privater Schulden auf Verpflichtungen sitzen bleiben werden, die den Wert ihres Eigenheimes übersteigen. Das könnte die Zahl der Konkurse in die Höhe treiben.

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