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Putins Russland nach dem Putschversuch

BERLIN – Mehr als anderthalb Jahre tobt er nun, der sinnlose, zerstörerische Krieg Russlands in der Ukraine. Eine nukleare Großmacht bestreitet einem Nachbarn und „Brudervolk“ das von ihr zuvor anerkannte eigenstaatliche Existenzrecht durch einen Eroberungskrieg. Die Ukraine soll als eigner Staat verschwinden, wieder einverleibt in Russland. Zugleich ist sie aber ein Mitglied der UN und international anerkannter Teil  der Staatengemeinschaft und zugleich im 21. Jahrhundert Opfer eines Eroberungskrieges.

Allerdings scheint das Kalkül der russischen Führung unter Präsident Putin nach hinten loszugehen. Keine schnelle militärische „Spezialoperation“ sondern ein veritabler, opferreicher Eroberungskrieg, der zudem für Russland verloren zu gehen droht. Wie Ernst die Lage tatsächlich ist, hat der Putschversuch der Wagner Söldner Truppe vom letzten Wochenende klargemacht, der sich über Stunden hinweg ungebremst entfalten konnte, bis hin zur Einnahme der Großstadt Rostow am Don und des dortigen russischen Armeehauptquartiers und die Wagner Söldner bis 200 km vor Moskau führte. Der staunende Beobachter musste sich fragen, was war bloß mit Putins großem Sicherheits- und Machtapparat geschehen? Wo war die Armee in all den Stunden? Die Geheimdienste?

Putin hatte zwar in einer landesweit übertragenen Fernsehansprache am Samstagmorgen das Jahr 1917 und die Gefahr einer Bürgerkrieges beschworen, war anschließend aber nicht mehr zu hören und sehen gewesen. War er in jenen dramatischen Stunden noch im Kreml oder vor den sich Moskau nähernden Wagnertruppen nach St. Petersburg geflohen? Ein starker Mann, ein Diktator, der Angst und Schwäche zeigt und sich davonmacht, ist nicht mehr stark, zumal wenn der Aufstand aus seinem engsten Umfeld kommt.

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