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Die Handelskriege der Kodependenz

NEW HAVEN – Kodependenz in persönlichen Beziehungen nimmt nie ein gutes Ende. Und wenn man den stetig eskalierenden Handelskrieg zwischen den USA und China zugrundelegt, scheint dasselbe für wirtschaftliche Beziehungen zu gelten.

Auch wenn ich 2014 ein Buch über die kodependente Wirtschaftsbeziehung zwischen den USA und China veröffentlicht habe, wäre ich der Erste, der zugeben würde, dass es ein weiter Schritt ist, Erkenntnisse der Humanpsychologie auf die Beurteilung des Verhaltens von Volkswirtschaften auszuweiten. Doch die Ähnlichkeiten sind verblüffend, und die Prognose ist umso überzeugender, als die beiden weltgrößten Volkswirtschaften nun in einem gefährlichen Dilemma versinken.

Vereinfacht formuliert, tritt eine Kodependenz an einem der Extreme der Beziehungsdynamik ein: wenn zwei Partner mehr voneinander zehren als aus ihrer eigenen inneren Stärke. Dies ist kein stabiler Zustand. Eine Kodependenz vertieft sich, da das Feedback der Partner tendenziell an Bedeutung gewinnt und das eigene Selbstvertrauen infolgedessen stetig abnimmt. Die Beziehung wird hochgradig reaktiv und belastet, und die Spannungen nehmen zu. Irgendwann gerät ein Partner unweigerlich an seine Belastungsgrenze und sucht dann eine neue Quelle der Kraft. Dies führt dazu, dass der andere sich missachtet fühlt, in Ablehnung und Schuldzuweisungen verfällt und letztlich einen rachsüchtigen Trieb verspürt, als Reaktion um sich zu schlagen.

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