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Der Krieg in der Ukraine und seine globalen und europäischen Folgen

BERLIN – Als im Morgengrauen des 24. Februar 2022 russische Truppen auf Befehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Ukraine einfielen, veränderte sich alles für die Ukraine, für Europa, und auch für die globale Politik, die an jenem Tag in ein neues Zeitalter eintrat, das bestimmt wird durch die weltweite Rivalität von Großmächten, die den Krieg nicht mehr ausschließt. Die großen Veränderungen, die der russische Überfall auf seinen Nachbarn Ukraine mit sich brachte, betrafen neben den unmittelbaren Opfern der Aggression vor allem Europa, denn dorthin war der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine zuerst und vor allem zurückgekehrt. Dieser bewaffnete Angriff einer Großmacht auf einen kleineren Nachbarn mit dem Ziel von dessen staatlicher Auslöschung mittels Annexion änderte an erster Stelle die Grundsätze, nach denen der europäische Staatenwelt sich seit dem Ende des Ost-West-Konflikts politisch organisiert hatte. Die Selbstauflösung von Warschauer Pakt und Sowjetunion und der Abzug der Roten Armee vollzogen sich völlig gewaltfrei.

Am 24. Februar des Jahres 2022 ging nun für Europa jene außergewöhnliche Epoche des friedlichen Interessenausgleichs und der Akzeptanz gemeinsamer Grundsätze auf dem gesamten europäischen Kontinent zu Ende. Vor allem in Deutschland schien nach dem „Gorbatschow-Wunder“ alles möglich bis hin zur Realisierung der Utopie Immanuel Kants vom „Ewigen Frieden“ auf dem europäischen Kontinent. Dieser Traum entpuppte sich in unseren Tagen als nichts anderes denn als eine große Illusion.

Ganz anders interpretierte man diese welthistorischen Ereignisse von Ende der achtziger Jahre in weiten Teilen der russischen Machtelite. Dort wurde der Verlust des großrussischen Imperiums namens Sowjetunion als verheerende Niederlage, als beispiellose Demütigung verstanden, die man zwar angesichts der Schwäche Russlands hinnehmen musste, aber nur vorläufig, bis sich die Kräfteverhältnisse wieder verändern würden. Dann würde es um die große historische Revision gehen, die Wiederherstellung der Weltmacht Russland. Der Überfall auf die Ukraine wird sich als erster der kommenden russischen Revisionskriege erweisen, keineswegs aber als deren letzter, so die Abschreckungsfähigkeit des Westens nicht wiederhergestellt wird oder der Westen durch den drohenden Rückzug Amerikas aus der NATO gar zerfällt.

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