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Protektionismus ist eine geopolitische Brandfackel

NEW HAVEN – Es ist mir ein Rätsel, warum viele prominente Ökonomen die Zölle der Trump-Regierung als wohlstandsgefährdenden Protektionismus gebrandmarkt haben, die noch viel drastischeren Schritte, mit denen Biden versucht, die Wirtschaft von China zu entkoppeln und Lieferketten in andere, am besten befreundete Länder zu verlagern, jedoch gutheißen. In einer Befragung der Universität Chicago unter Ökonomen aus dem Jahr 2018 hatten 100 Prozent der Teilnehmer neue US-Zölle noch abgelehnt; als man im Januar 2022 im wesentlichen dieselben Experten erneut befragte, äußersten sie sich skeptisch zu globalen Lieferketten. Nur zwei Teilnehmer, einer davon ich, waren nicht der Meinung, die Abhängigkeit von Produkten aus dem Ausland habe die US-Industrie krisenanfällig gemacht.

Eine Ausnahme von diesem Trend ist Dani Rodrik, der kürzlich in einem Kommentar argumentierte, die Auswirkungen der Geopolitik seien viel schwerwiegender als eine Wiederbelebung des Protektionismus. Damit trifft er einen wichtigen Aspekt. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass Protektionismus für die derzeitige Verschärfung der geopolitischen Spannungen wie ein Katalysator gewirkt hat.

Trumps Zölle haben nicht nur einen langfristigen Trend zur Liberalisierung des Welthandels umgekehrt, sie haben auch die Preise für die amerikanischen Verbraucher und für US-Unternehmen, die importierte Zwischenprodukte aus China verwenden, und damit die realen Kosten der amerikanischen Wirtschaft erhöht. Allerdings hatte Trumps Politik kaum Auswirkungen auf den Welthandel insgesamt. Zwar nahm der Handel zwischen den USA und China, wie erwartet, ab, die Exporte vieler anderer Länder – sowohl in die USA als auch in den Rest der Welt – nahmen jedoch zu. Handelsflüsse wurden umgeleitet, nicht eingedämmt.

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