soldiers nuns italy 1970s Keystone/Getty Images

Menetekel Italien

PRINCETON – Als Ursprung des Römischen Reiches und der Renaissance hat Italien die kulturellen Entwicklungen in Europa und im westlichen Eurasien seit langem maßgeblich mitgeprägt. Es dient aber ebenso seit langem als Beispiel für politischen Niedergang. Edward Gibbons Klassiker Verfall und Untergang des Römischen Reichessollte seinen Imperien errichtenden Zeitgenossen nicht zuletzt als Warnung dienen.

Auch die wirtschaftliche Stagnation in Italien nach dem frühen siebzehnten Jahrhundert wurde als warnendes Beispiel angeführt. Der englische Kritiker John Ruskin aus dem 19. Jahrhundert beschwor Mitglieder britischer Handelsgesellschaften, über die Tragödien von Tyrus und Venedig nachzudenken. Er beschrieb Venedig in der „Schlussphase ihres Niedergangs“ als „ein Gespenst am Gestade der See, so schwach ‒ so still ‒ so beraubt alles Besitzes außer ihrer Lieblichkeit, dass man im Zweifel sein kann, wenn man ihr mattes Abbild in der Spiegelung der Lagune erblickt, welches die Stadt und welches der Schatten ist“.

Dann kam die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Italien zum Paradebeispiel für fruchtbare europäische Integration wurde. In kultureller Hinsicht entwickelte das Land einen Stil, der bis heute enorm einflussreich ist, insbesondere in der Mode, wo Italien weltweit Trends setzt. In exklusiven Einkaufszentren, auf Flaniermeilen und an Flughäfen auf aller Welt finden sich Boutiquen, die italienisches Design (wenn nicht italienische Produkte) feilbieten.

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