Präsidentenwahl durch Versäumnis

PARIS – Rousseau gegen Hobbes: Auf dem Titelblatt des französischen Magazins Philosophie waren die beiden führenden Kandidaten für die Präsidentenwahl, Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und der sozialistische Kandidat François Hollande, in entsprechender Verkleidung abgebildet. „Das wahre Präsidentschaftsduell“ spiele sich laut Philosophie zwischen der konsensualen gesellschaftsvertraglichen Vision Rousseaus (Hollande) und der rabiaten Vision Hobbes’ (Sarkozy) ab, wonach „der Mensch dem Menschen ein Wolf“ sei.

Die Interpretation in Philosophie enthält möglicherweise ein Körnchen Wahrheit, aber die Realität ist weit prosaischer – und viel weniger intellektuell. Um die Vielschichtigkeit des Wahlkampfs und Sarkozys jüngsten (immer noch relativen) Popularitätsschub zu verstehen, eignet sich ein Vergleich aus der Welt des Sports möglicherweise besser als die Philosophie. 

Man betrachte Hollandes Strategie im Lichte eines Fußballspiels. Nach einem frühen Treffer (die Führung in Meinungsumfragen) verlegt er sich nun das „Catenaccio“, der  vor 20 Jahren angewandten Taktik italienischer Fußballtrainer - eine reine Defensivstrategie, die Sarkozy an einer Aufholjagd hindern soll. Es könnte funktionieren, aber diese Taktik trägt auch zu einer gewissen Monotonie in Hollandes Wahlkampf und einem Mangel an Begeisterung für seine Person bei.

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