EU flag brussels Wiktor Dabkowskiv/ZumaPress

Europas nationalistische Nachtwache

PARIS – Der Populismus ist in ganz Europa auf dem Vormarsch, da sich sowohl in wirtschaftlich geschwächten als auch in wohlhabenden Ländern zunehmend Frustration über die etablierten politischen Eliten breitmacht. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass die Populisten in absehbarer Zeit in einem europäischen Land an die Regierung kommen, auch dort nicht, wo das Risiko derzeit am höchsten zu sein scheint, nämlich in Ungarn, Griechenland und Frankreich. Die Mehrheit der Wähler ist - ob aus Angst oder aus Gründen des Hausverstands –  nach wie vor nicht bereit, die Aussicht auf Isolation vom Rest Europas zu akzeptieren.

Das heißt allerdings nicht, dass die Europäische Union gegen Spaltungskräfte gefeit ist. Im Gegenteil. Die Rückkehr des Nationalismus auch (und vor allem) in Ländern, die vor mehr als 60 Jahren zu den Gründerstaaten der EU zählten, stellt eine zwar weniger spektakuläre, aber potenziell stärker zersetzende Bedrohung der europäischen Einheit dar.

Dieser Trend trat letzte Woche anlässlich meines Besuchs in den Niederlanden, einem der sechs ursprünglichen Unterzeichnerstaaten der Römischen Verträge, augenfällig zutage. Im Rahmen meiner Reise besuchte ich das Rijksmuseum, das 2013 nach einer zehn Jahre dauernden Renovierung wieder eröffnet worden war. Das in die Jahre gekommene und unzeitgemäße alte Gebäude war ein Tribut an die universelle Anziehungskraft der großen Maler des Landes wie Rembrandt und Vermeer – eine perfekte Inszenierung von Licht und Gemeinschaft.

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