op_mueller5_Brett CarlsenGetty Images_liberalism Brett Carlsen/Getty Images

Die Dauerkrise des Liberalismus

PRINCETON – Seit dem Doppelschock des Jahres 2016 – als die britischen Wähler für den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union stimmten und die Amerikaner Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählten – wird uns erzählt, dass der Liberalismus in der Krise stecke. Aber welcher Liberalismus? Sprechen wir hier von einer Reihe Ideale, oder von Institutionen wie der viel kritisierten „liberalen Weltordnung“, oder nur von den jüngsten in einer Reihe westlicher Länder verfolgten politischen Strategien, die mit einer nachvollziehbar als Liberalismus bezeichneten politischen Philosophie womöglich wenig zu tun haben?

Ähnliche Fragen können wir bezüglich des Wortes „Krise“ stellen. Verweisen die Autoren aus der inzwischen entstandenen Heimindustrie zur „Liberalismuskrise“ auf einen Moment, bei dem es – wie in der ursprünglichen griechischen Bedeutung – um Leben und Tod geht, oder auf etwas Alltäglicheres wie das Scheitern einer politischen Strategie?

Jüngste Bücher stecken mögliche Antworten ab. Der Politiktheoretiker Patrick J. Deneen von der University of Notre Dame begrüßt die Krise und hofft, dass sie zum ideologischen und praktischen Niedergang des Liberalismus führen wird. Er glaubt, dass der Liberalismus durch etwas völlig anderes ersetzt werden sollte, und möchte sein Buch als Handbuch für eine neue „Elite“ – eine „Partei der Ordnung“ – verstanden wissen, um einen „Regimewechsel“ herbeizuführen und die „Partei des Fortschritts“ zu überwinden.

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