patten139_Nicolas Asfouri - PoolGetty Images_putinxi Nicolas Asfouri/Pool/Getty Images

Xi Jinpings Entscheidung

LONDON – Dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping muss es zunächst sehr leicht gefallen sein, auf den brutalen Krieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine zu reagieren. Dass diese beiden selbsterklärten „Brüder im Geiste“ Putins Invasionspläne bei ihrem Treffen Anfang Februar in Peking – direkt vor Beginn der Olympischen Winterspiele – nicht besprochen haben, ist kaum vorstellbar. Immerhin: Hätte Putin Xi übergangen, welchen Eindruck hätte Xi dann von der Verlässlichkeit des Kreml als Verbündeter gehabt, und was würde es über Xis diplomatische Fähigkeiten sagen?

Um Xis Zustimmung zu bekommen, musste Putin mit seinen Panzern anscheinend nur bis zum Ende der Pekinger Spiele warten. Vier Tage später fing Russland dann an, Städte und Menschen in der Ukraine zu bombardieren, und als sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kurz danach versammelte, erfüllte Xi seinen Teil des Kuhhandels: China enthielt sich bei der Verurteilung Russlands der Stimme.

Dort und anderswo argumentiert China seitdem, Russland habe sich keiner „Invasion“ schuldig gemacht – ein Begriff, der offensichtlich ein völkerrechtliches Verbrechen suggeriert. Trotzdem grub der chinesische Außenminister Wang Yi aus seinem diplomatischen Werkzeugkoffer das Prinzip der friedlichen Koexistenz von 1955 aus, das uns sagt, China halte grundsätzlich die Werte der nationalen Souveränität und Nichteinmischung in die internen Angelegenheiten anderer Länder ein. Dies, so fügte er hinzu, gelte auch für die Ukraine – ein Land, zu dem China enge Handelsbeziehungen hatte (und aus dem das Schiff kam, das China zu seinem ersten Flugzeugträger umbaute). Außerdem ist die Ukraine Teil der Neuen Seidenstraße, in deren Mitgliedsländern China große Infrastrukturprojekte finanziert.

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