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Der Westen muss die ukrainische Realität akzeptieren

MOSKAU – Graham Allison aus Harvard hat kommentiert, China sei zwar „der schärfste Rivale, der einer Großmacht jemals entgegen stand“, die momentane „Dämonisierung“ des Landes wirke aber „eher verwirrend als klärend“. Um eine „Strategie gegen die chinesische Herausforderung zu entwickeln und durchzuführen“, behauptet er, müssten die Vereinigten Staaten „China als das verstehen, was es ist“ – weder als „einen Überflieger“ noch als „am Rande des Zusammenbruchs“. Zum nachsowjetischen Russland hingegen gab es keine solche Einsicht.

Im Gegenteil, seit Jahrzehnten karikieren die USA Russland als entweder einen totalen Bösewicht oder als fragiles Gebilde, dass seine besten Zeiten hinter sich hat. Nach der russischen Besatzung der Krim von 2014 hat der damalige Präsident Barack Obama das Land als „Regionalmacht“ abgetan, die ihre eigene Schwäche zur Schau stellt. Und nach der Invasion der Gesamtukraine im letzten Jahr ging man davon aus, Russland – und Wladimir Putins Regime – werde unter der Last westlicher Sanktionen schnell zusammenbrechen.

Hinter Putins Entscheidung, in die Ukraine einzumarschieren, stand eine Selbsttäuschung. Aber dies bedeutet nicht, dass die westliche Einschätzung der Lage vernünftig war. Im Gegenteil, die meisten Beobachter im Westen schienen sich nur zwei Szenarien vorstellen zu können: Entweder Putin erobert Kiew in wenigen Tagen und verwandelt die Ukraine in eine Marionette des Kreml, oder Russland wird schnell besiegt und Putin gezwungen, seine Truppen abzuziehen und die territoriale Integrität der Ukraine anzuerkennen.

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