mueller39_ Beata ZawrzelNurPhoto via Getty Images_orban Beata Zawrzel/NurPhoto via Getty Images

Der Verrat der Konservativen

BUDAPEST – Die weltweite extreme Rechte freut sich hämisch. Nach jüngsten Rückschlägen hat einer ihrer Bannerträger, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, bei der Parlamentswahl in diesem Monat einen überwältigenden Sieg errungen. Während Leute wie der nationalistische italienische Politiker Matteo Salvini einen Preis für ihre frühere Verherrlichung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zahlen scheinen, gilt dies für Marine Le Pen, die in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl Zweite wurde, und Orbán (Putins engster Verbündeter in der Europäischen Union, und zugleich ein Diener Chinas) eindeutig nicht.

Verschiedene postliberale, illiberale und antiliberale Intellektuelle feiern Orbáns Ungarn seit langem als nationalistisch-konservatives Disneyland (wo Männer noch Männer sind und Frauen noch Frauen). Nun bejubeln sie Orbán als den wahren Führer des Westes, dessen Wahlsieg als entschiedene Absage der Bevölkerung an den Liberalismus zu verstehen sei. Ihre Bereitschaft jedoch, selbst die unappetitlichsten Aspekte von Orbáns Herrschaft zu rechtfertigen, zeigt etwas, das bereits während Donald Trumps nur einer Amtszeit als Präsident in den USA deutlich wurde: Sie sind bereit, jeden Preis für die Realisierung ihrer illiberalen politischen Präferenzen zu zahlen und dafür sogar Autoritarismus und Kleptokratie zu akzeptieren.

Die ungarische Wahl war frei, aber nicht fair, denn sie fand in einem System statt, das internationale Beobachter zu Recht als Wahlautokratie bezeichnet haben. Die, die auf Orbáns Eigenwerbung als „illiberaler Demokrat“ hereingefallen sind, haben sich die Idee zu eigen gemacht, dass eine Demokratie real ist, solange die herrschende Partei die Wahl nicht offen fälscht. Doch erfordert Demokratie mehr als betrugsfreie Wahlen; sie erfordert auch die effektive Nutzung wesentlicher Rechte, nicht zuletzt ein freies Medienumfeld, in dem Parteien den Bürgern ihre Positionen darlegen können.

https://prosyn.org/7I98e6Ide