Dreißig Jahre „Retorten“-Babys

MELBOURNE – Louise Brown, die erste außerhalb eines menschlichen Körpers gezeugte Person, wurde letztes Jahr 30. Die Geburt eines „Retorten“-Babys, wie man die In-vitro-Fertilisation in den Schlagzeilen nannte, war damals höchst umstritten. Leon Kass, der später als Vorsitzender von Präsident George W. Bushs Ethikrat tätig war, argumentierte, das Risiko bei einer IVF ein Baby mit Gesundheitsschäden zu produzieren wäre zu hoch, um eine derartige Intervention jemals zu rechtfertigen. Auch manche religiösen Führer verurteilten den Einsatz moderner wissenschaftlicher Technologien als Alternative zum Geschlechtsakt, selbst wenn dieser nicht zu einer Empfängnis führen konnte.

Seit damals wurden ungefähr drei Millionen Menschen durch IVF gezeugt, wodurch man unfruchtbaren Paaren zu dem Kind verhalf, nach dem sie sich sehnten. Das Risiko, durch IVF ein Kind mit Gesundheitsschäden zu bekommen, erwies sich als nicht höher als bei Eltern ähnlichen Alters, die auf natürlichem Wege ein Kind zeugten. Weil aber viele Ärzte bei einer IVF zwei oder drei Embryos auf einmal einpflanzen, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen, sind Zwillings- oder Mehrlingsgeburten häufiger, wodurch ein etwas höheres zusätzliches Risiko besteht.

Die Römisch Katholische Kirche hat ihre ablehnende Haltung gegenüber der IVF nicht geändert. In einer jüngst veröffentlichten Instruktion unter dem Titel Dignitas Personae stellt sich die Kongregation für die Glaubenslehre aus mehreren Gründen gegen die IVF. Ein Grund ist, dass im Verlauf der Behandlung viele Embryos gezeugt werden, von denen nur wenige überleben. Das ist allerdings im Falle einer natürlichen Empfängnis nicht viel anders, denn die Mehrheit der während eines natürlichen Geschlechtsaktes empfangenen Embryonen nisten sich nicht in die Uteruswand ein und die betroffene Frau weiß oft nicht einmal, dass sie überhaupt jemals „schwanger“ war.

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