Das britische „Non”

LONDON – Auf dem jüngst zu Ende gegangenen EU-Gipfel ließ der britische Premierminister David Cameron den jahrzehntelang in der Beziehung seines Landes zu Europa aufgestauten Ressentiments freien Lauf. Die Europäer waren entsetzt, in welcher Weise die in letzter Minute in die Vereinbarung aufgenommenen Detailbestimmungen über die Bankenregulierung den erwarteten Durchbruch hinsichtlich der Haushaltskontrolle der EU-Länder torpedieren konnten. Camerons Unterstützer in Großbritannien jubilierten und stellten ihn als neuen Winston Churchill hin, der gegen die Bedrohung eines üblen kontinentalen Tyrannen aufsteht.

Die britische Sicht auf Europa war schon immer sowohl emotional als auch zwiespältig. Eine konservative Regierung wollte Anfang der 1960er Jahre der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beitreten, wurde aber vom französischen Präsidenten Charles de Gaulle zurückgewiesen. Der General verhöhnte die britischen Ambitionen mit einem abgewandelten Zitat aus einem Edith-Piaf-Lied über einen ausgestoßenen englischen Aristokraten, „Ne pleurez pas, Milord.” Schließlich durfte Großbritannien rein, aber die britischen Spitzenpolitiker hatten immer das Gefühl, im Kreis der Europäer nicht willkommen zu sein.

In zwei maßgeblichen Momenten der Vergangenheit hatte ein britisches „Nein“ entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung der europäischen Währungspolitik. Im Jahr 1978 initiierten der deutsche Kanzler Helmut Schmidt und der französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing die Schaffung eines  Wechselkursmechanismus – des  Europäischen Währungssystems – zur Wiederherstellung stabiler Wechselkurse in Europa. Ursprünglich verhandelten Deutsche und Franzosen trilateral mit Großbritannien, aber die Sitzungen verliefen schleppend, mühsam und unproduktiv.

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