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Ein inflationsangepasster Gesellschaftsvertrag für Europa

DUBROVNIK: Angesichts hoher und weiter steigender Energiepreise und rapide steigender Inflation scheinen wir derzeit eine Wiederholung der späten 1970er Jahre zu erleben. Doch der Schein kann trügen.

Die Ähnlichkeiten sind offenkundig. Wie in den 70er Jahren führte 2022 ein Energiepreisschock zu einem nachhaltigen Anstieg der Preise für viele andere Waren. Die sogenannte Kerninflationsrate, die die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise unberücksichtigt lässt, nähert sich inzwischen 6 % in den USA und 4 % in der Eurozone. Und die Befürchtungen wachsen, dass sich dieser Trend wie in den 70er Jahren als hartnäckig erweisen wird.

Doch erleben wir derzeit durchaus keine Wiederholung der 70er Jahre. Ein zentraler Unterschied betrifft die Arbeitsmärkte. Damals sorgte die weit verbreitete Indexbindung der Löhne dafür, dass höhere Energie- und sonstige Preise automatisch zu einem entsprechenden Anstieg der Löhne führten. Wo die Indexbindung weniger wichtig war, setzten die Gewerkschaften dasselbe Ergebnis durch, da sie sich weigerten, eine Verringerung des Lebensstandards ihrer Mitglieder zu akzeptieren.

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