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Wachablösung bei der EZB

LONDON – In diesem Monat veranstaltete die Europäische Zentralbank ein Kolloquium zu Ehren ihres scheidenden Chefvolkswirts Peter Praet. Praet, der in den Jahren nach der Finanzkrise 2008 und der anschließenden Eurokrise eng mit EZB-Präsident Mario Draghi zusammengearbeitet hat, war mehr als jeder andere derjenige, der den Rat der EZB in schwierigen Situationen zu einer gemeinsamen Entscheidung geführt hat. Sein Ausscheiden folgt auf den Abschied von Vizepräsident Vítor Constâncio im vergangenen Sommer, und als nächstes werden Draghi im Oktober und Benoit Coeuré vom Direktorium der EZB im Dezember folgen.

Diese wichtigen Veränderungen in der Führung der EZB bieten eine Gelegenheit, über die Herausforderungen nachzudenken, vor denen die Bank in den kommenden Jahren stehen wird. Als einzige wirklich föderale Institution der Eurozone hat die EZB in den vergangenen Krisen als „Institution der letzten Instanz“ agiert und versucht die Scherben zu kitten, wenn es nationalen Regierungen nicht gelungen ist eine Einigung zu erzielen. Dies ist ihr trotz ihrer komplexen Leitungsstruktur gelungen. Der EZB-Rat besteht aus 19 nationalen Notenbankgouverneuren, die jeweils Länder mit unterschiedlichen Interessen vertreten, sowie dem Direktorium, dessen sechs Mitglieder vom Europäischen Rat nach einem intensiven Verhandlungsprozess ernannt werden.

Draghi, der meist im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, betonte bei dem Kolloquium ausdrücklich, dass es Praet war, dessen Empfehlungen in den letzten acht Jahren vom EZB-Rat regelmäßig gefolgt wurde. Der Erfolg der ausscheidenden Führungsköpfe bei der Konsensbildung innerhalb einer so vielfältigen Gruppe sollte nicht als selbstverständlich angesehen werden.

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