Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, wird am 12. September von dem Brasilianer Sergio Vieira de Mello abgelöst, einem langjährigen UN-Diplomaten. Diese Übergabe wird nicht unproblematisch sein, denn die Regierungen, die die UN-Menschenrechtskommission (CHR) kontrollieren, versuchen zunehmend, sich - und ihre Verbündeten - vor allzu genauen Untersuchungen oder gar Kritik zu schützen.
Bei der letzten Jahressitzung der CHR im vergangenen Frühjahr in Genf wurde nacheinander dafür gestimmt, schwere Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Russland/Tschetschenien, Simbabwe, Iran und Äquatorialguinea zu ignorieren. Bei verschiedenen anderen Ländern, in welchen Menschenrechtsverletzungen vorkommen, wie China, Algerien, Usbekistan, Vietnam und Saudi Arabien, konnte die Kommission nicht einmal die Kraft aufbringen, die Verletzungen auf die Tagesordnung zu setzen. Sie kürzte auch verschiedene länderspezifische Überwachungsmechanismen und damit eines der wirkungsvollsten Instrumente im Kampf für die Menschenrechte: "naming and shaming" die Verantwortlichen an den Pranger zu stellen.
Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass gerade die Länder mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen - Algerien, Burundi, China, Kuba, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Kenia, Libyen, Malaysia, Saudi Arabien, der Sudan, Syrien und Vietnam - einen mächtigen Block innerhalb der Kommission bilden. Zusammen verfügen sie fast über eine Mehrheit von dreiundfünfzig Prozent. 2003 wird Simbabwe noch hinzukommen, und wenn einige afrikanische Länder nicht eine frühere Entscheidung widerrufen, wird Libyen diesem Block für ein Jahr vorsitzen!
Solche Länder tun ihr Möglichstes, um sich Sitze in der Kommission zu verschaffen und arbeiten dann aktiv daran, Allianzen mit willigen Regierungen zu bilden. Zusätzlich haben sie eine Reihe von klugen Verfahrenstricks entwickelt, um die Kommission zu untergraben.
Ihrer Entschlossenheit, die Kommission von innen auszuhöhlen, wird von Seiten der traditionellen Verfechter der Menschenrechte im Westen nichts Vergleichbares entgegengesetzt. Bis zu einem gewissen Grad liegt dies daran, dass - trotz aller Rhetorik - die Menschenrechte unter diesen Regierungen relativ weit unten auf der Liste der Prioritäten stehen. Handel sticht die Menschenrechte oft aus und besonders europäische Regierungen sind nur zu oft nicht willens, gewinnversprechende Kontakte zu gefährden, wenn sie befürchten müssen, ihre Kritik an der Verletzung der Menschenrechte durch potentielle Partnerregierungen könnte mit Vergeltung bestraft werden.
Diese Tendenz ist erst kürzlich durch den Krieg gegen den Terror noch verstärkt worden. Westliche Demokratien wollen wichtige Verbündete in diesem Kampf nicht irritieren, nur weil diese vielleicht die Rechte ihrer eigenen Bürger missachten.
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Im letzten Jahr waren die USA zum ersten Mal nicht Mitglied der Kommission (sie werden ihren Sitz 2003 allerdings wieder einnehmen). Man könnte annehmen, Amerikas Abwesenheit habe den traurigen Zustand, in dem sich die Kommission befindet, noch verstärkt, da es sich in der Vergangenheit oft entschlossen und engagiert für einige Themen eingesetzt hat, ganz besonders was bestimmte Länder mit großen Verletzungen angeht.
Aber das wäre ein Irrtum. Selber zunehmend besorgt, dass ihre eigenen Bürger und Praktiken international unter die Lupe genommen werden, haben die Amerikaner in den letzten Jahren zu der allgemeinen Erosion des UN-Überwachungssystem für die Menschenrechte beigetragen. Sie widersetzten sich hartnäckig mehreren wichtigen und vielversprechenden Menschenrechts-Initiativen, besonders dem Internationalen Gerichtshof (ICC) und einem neuen Antifolter-Mechanismus.
Beim Antifolterprotokoll haben die USA versucht, die Schaffung eines Systems für den Besuch von Haftanstalten weltweit unter einem optionalen Protokoll der Konvention gegen Folter zu verhindern. Hier fanden sich die USA in der Gesellschaft einiger zwielichtiger Bettgenossen wieder, die sie normalerweise als chronische Menschenrechtsverletzer brandmarken. Aber auch ohne die Unterstützung der USA wurde die Initiative mit überwältigender Zustimmung Ende Juli schließlich vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN ratifiziert.
Natürlich ist nicht alles, was mit den Menschenrechten zusammenhängt, gleich zweifelhaft. Der Internationale Gerichtshof wird seine Arbeit bald aufnehmen und das mit stärkerer internationaler Unterstützung als aufgrund der amerikanischen Versuche, ihn zu untergraben, zu erwarten war. Das System der weltweiten Besuche in Haftanstalten gewinnt ebenfalls an Boden. Sogar in der Menschenrechtskommission sind Fortschritte zu verzeichnen, zum Beispiel bei den Anstrengungen, die Problematik der "Verschwundenen" als internationales Verbrechen geltend zu machen.
Gerade Länder, in denen die Erinnerung an eine Gewaltherrschaft noch frisch ist, wie in lateinamerikanischen und osteuropäischen Ländern, haben eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung von Menschenrechts-Initiativen und bei der Verteidigung der Prinzipien gespielt (besonders Lateinamerika hat sich hier hervorgetan).
Wie auch immer, die Manipulation durch einflussreiche Länder und die Feinde der Menschenrechte haben der UN-Menschenrechtskommission arg zugesetzt. Vieira de Mello - ein brillanter Diplomat mit einer herausragenden Karriere bei den Vereinten Nationen - muss fähig und willens sein, seine eigene Region und andere mit ins Boot zu nehmen, um sicherzustellen, dass das UN-Menschenrechtssystem den Opfern hilft, nicht den Tätern. Aber er muss auch den Westen in eine aktivere Haltung locken und besonders die USA überzeugen, keine destruktive, sondern wieder eine konstruktive Rolle bei der Verteidigung der Menschenrechte zu spielen.
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Many countries’ recent experiences show that boosting manufacturing employment is like chasing a fast-receding target. Automation and skill-biased technology have made it extremely unlikely that manufacturing can be the labor-absorbing activity it once was, which means that the future of “good jobs” must be created in services.
shows why policies to boost employment in the twenty-first century ultimately must focus on services.
Minxin Pei
doubts China’s government is willing to do what is needed to restore growth, describes the low-tech approaches taken by the country’s vast security apparatus, considers the Chinese social-credit system’s repressive potential, and more.
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Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, wird am 12. September von dem Brasilianer Sergio Vieira de Mello abgelöst, einem langjährigen UN-Diplomaten. Diese Übergabe wird nicht unproblematisch sein, denn die Regierungen, die die UN-Menschenrechtskommission (CHR) kontrollieren, versuchen zunehmend, sich - und ihre Verbündeten - vor allzu genauen Untersuchungen oder gar Kritik zu schützen.
Bei der letzten Jahressitzung der CHR im vergangenen Frühjahr in Genf wurde nacheinander dafür gestimmt, schwere Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Russland/Tschetschenien, Simbabwe, Iran und Äquatorialguinea zu ignorieren. Bei verschiedenen anderen Ländern, in welchen Menschenrechtsverletzungen vorkommen, wie China, Algerien, Usbekistan, Vietnam und Saudi Arabien, konnte die Kommission nicht einmal die Kraft aufbringen, die Verletzungen auf die Tagesordnung zu setzen. Sie kürzte auch verschiedene länderspezifische Überwachungsmechanismen und damit eines der wirkungsvollsten Instrumente im Kampf für die Menschenrechte: "naming and shaming" die Verantwortlichen an den Pranger zu stellen.
Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass gerade die Länder mit den schlimmsten Menschenrechtsverletzungen - Algerien, Burundi, China, Kuba, die Demokratische Republik Kongo, Indonesien, Kenia, Libyen, Malaysia, Saudi Arabien, der Sudan, Syrien und Vietnam - einen mächtigen Block innerhalb der Kommission bilden. Zusammen verfügen sie fast über eine Mehrheit von dreiundfünfzig Prozent. 2003 wird Simbabwe noch hinzukommen, und wenn einige afrikanische Länder nicht eine frühere Entscheidung widerrufen, wird Libyen diesem Block für ein Jahr vorsitzen!
Solche Länder tun ihr Möglichstes, um sich Sitze in der Kommission zu verschaffen und arbeiten dann aktiv daran, Allianzen mit willigen Regierungen zu bilden. Zusätzlich haben sie eine Reihe von klugen Verfahrenstricks entwickelt, um die Kommission zu untergraben.
Ihrer Entschlossenheit, die Kommission von innen auszuhöhlen, wird von Seiten der traditionellen Verfechter der Menschenrechte im Westen nichts Vergleichbares entgegengesetzt. Bis zu einem gewissen Grad liegt dies daran, dass - trotz aller Rhetorik - die Menschenrechte unter diesen Regierungen relativ weit unten auf der Liste der Prioritäten stehen. Handel sticht die Menschenrechte oft aus und besonders europäische Regierungen sind nur zu oft nicht willens, gewinnversprechende Kontakte zu gefährden, wenn sie befürchten müssen, ihre Kritik an der Verletzung der Menschenrechte durch potentielle Partnerregierungen könnte mit Vergeltung bestraft werden.
Diese Tendenz ist erst kürzlich durch den Krieg gegen den Terror noch verstärkt worden. Westliche Demokratien wollen wichtige Verbündete in diesem Kampf nicht irritieren, nur weil diese vielleicht die Rechte ihrer eigenen Bürger missachten.
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Im letzten Jahr waren die USA zum ersten Mal nicht Mitglied der Kommission (sie werden ihren Sitz 2003 allerdings wieder einnehmen). Man könnte annehmen, Amerikas Abwesenheit habe den traurigen Zustand, in dem sich die Kommission befindet, noch verstärkt, da es sich in der Vergangenheit oft entschlossen und engagiert für einige Themen eingesetzt hat, ganz besonders was bestimmte Länder mit großen Verletzungen angeht.
Aber das wäre ein Irrtum. Selber zunehmend besorgt, dass ihre eigenen Bürger und Praktiken international unter die Lupe genommen werden, haben die Amerikaner in den letzten Jahren zu der allgemeinen Erosion des UN-Überwachungssystem für die Menschenrechte beigetragen. Sie widersetzten sich hartnäckig mehreren wichtigen und vielversprechenden Menschenrechts-Initiativen, besonders dem Internationalen Gerichtshof (ICC) und einem neuen Antifolter-Mechanismus.
Beim Antifolterprotokoll haben die USA versucht, die Schaffung eines Systems für den Besuch von Haftanstalten weltweit unter einem optionalen Protokoll der Konvention gegen Folter zu verhindern. Hier fanden sich die USA in der Gesellschaft einiger zwielichtiger Bettgenossen wieder, die sie normalerweise als chronische Menschenrechtsverletzer brandmarken. Aber auch ohne die Unterstützung der USA wurde die Initiative mit überwältigender Zustimmung Ende Juli schließlich vom Wirtschafts- und Sozialrat der UN ratifiziert.
Natürlich ist nicht alles, was mit den Menschenrechten zusammenhängt, gleich zweifelhaft. Der Internationale Gerichtshof wird seine Arbeit bald aufnehmen und das mit stärkerer internationaler Unterstützung als aufgrund der amerikanischen Versuche, ihn zu untergraben, zu erwarten war. Das System der weltweiten Besuche in Haftanstalten gewinnt ebenfalls an Boden. Sogar in der Menschenrechtskommission sind Fortschritte zu verzeichnen, zum Beispiel bei den Anstrengungen, die Problematik der "Verschwundenen" als internationales Verbrechen geltend zu machen.
Gerade Länder, in denen die Erinnerung an eine Gewaltherrschaft noch frisch ist, wie in lateinamerikanischen und osteuropäischen Ländern, haben eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung von Menschenrechts-Initiativen und bei der Verteidigung der Prinzipien gespielt (besonders Lateinamerika hat sich hier hervorgetan).
Wie auch immer, die Manipulation durch einflussreiche Länder und die Feinde der Menschenrechte haben der UN-Menschenrechtskommission arg zugesetzt. Vieira de Mello - ein brillanter Diplomat mit einer herausragenden Karriere bei den Vereinten Nationen - muss fähig und willens sein, seine eigene Region und andere mit ins Boot zu nehmen, um sicherzustellen, dass das UN-Menschenrechtssystem den Opfern hilft, nicht den Tätern. Aber er muss auch den Westen in eine aktivere Haltung locken und besonders die USA überzeugen, keine destruktive, sondern wieder eine konstruktive Rolle bei der Verteidigung der Menschenrechte zu spielen.