Die drei Gesichter Putins

MOSKAU: Der Präsident Russlands wird oft als Zar karikiert, aber die Macht des Präsidenten Vladimir Putin ist geringer als die der früheren Autokraten und Politbüro-Häuptlinge des Kreml. Ein offensichtliches Anzeichen dafür ist die von Putin aufgewendete Zeit für Auslandsreisen mit geringer diplomatischer Rechtfertigung. Die Diplomatie eröffnet einem Präsidenten jedoch eine Möglichkeit, seine Autorität für zukünftige heimische Schlachten zu stärken.

Die Einschränkungen, denen Putin gegensteht, rühren nicht von der Verfassung her, sondern werden von den drei Fraktionen bestimmt, die seine Regierung bilden. Bei der einen handelt es sich um eine Gruppe von FSB-Leuten (der FSB ist die Nachfolgeorganisation des KGB) aus Sankt Petersburg, die von Sergei Ivanov, dem Sekretär des Sicherheitsrates, angeführt wird. Die zweite besteht aus liberalen Ökonomen und Anwälten aus Putins Heimatstadt Sankt Petersburg, mit Finanzminister Alexei Kudrin und Wirtschaftsminister German Gref als führende Persönlichkeiten. Die dritte Fraktion ist eine „oligarchische“, zur Geschäftswelt hin orientierte Gruppe, angeführt von Putins Generalstabschef Alexander Voloschin, Premierminister Mikhail Kasyanov und dem verschwiegenen Öl- und Aluminiummagnaten Roman Abramovich, mit seinen 33 Jahren vielleicht der reichste Mann Russlands.

Wegen diesen drei sehr sichtbaren Verwerfungslinien beschreiben einige Russen ihr Land als eines, das unterschiedliche Sicherheits-, Wirtschafts- und Politik-/Geschäftsregierungen hat. Die FSB-Leute konzentrieren sich natürlich auf Sicherheit, Recht und Ordnung. Die Sankt-Petersburg-Liberalen betreiben marktwirtschaftliche Reformen. Aber wie unter Jelzin ist es die oligarchische Fraktion, die dominiert, denn sie kontrolliert die Präsidialadministration, den Ministerrat, zwei zentristische Parlamentfraktionen und eine ganze Menge von der Öl-, Aluminium-, Eisenbahn- und der Atomindustrie Russlands.

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