Die wirkliche Gefahr liegt in der Globalisierung

Es gehört zur Zeit zum guten Ton, dem Internationalen Währungsfond die Schuld an der Flut von Finanzkrisen zu geben, die die Schwellenländer seit Mexikos "Tequila-Krise" 1994 erfasst hat. Indem er Länder in Schwierigkeiten immer wieder finanziell unterstütze, habe der IWF Investoren ermutigt, unkalkulierbare Risiken einzugehen und Geld im Ausland anzulegen, ohne zu prüfen, ob die betreffenden Länder es jemals wieder zurückzahlen können. Internationale Finanzhilfe, so die Kritiker des IWF, habe es den Politikern in Ländern von Brasilien bis zur Türkei ermöglicht, schwierige Reformen zu umgehen, mit dem paradoxen Effekt, dass gerade dadurch die Krisen unausweichlich geworden seien.

Dieses Argument - ein gutes Beispiel für das, was Ökonomen einen "moralischen Schaden" nennen - ist eingängig, hat aber einen Haken. Tatsächlich sind die ausländischen Investitionen in den Schwellenländern bereits nach 1995 zurückgegangen, erreichten mit der Asienkrise von 1997 einen Tiefststand und sind seitdem nicht wieder angestiegen - obwohl der IWF seit dieser Zeit viele der Finanzhilfen eingeleitet hat, die das Investorenverhalten angeblich erst verzerrt haben!

Zudem verlagerte sich die Auslandsinvestition in den Schwellenländern nach 1994 auf Produktionsanlagen, Immobilien, die Dienstleistungsindustrie etc.. Im Gegensatz zu ausländischen Obligationären, die einfach aussteigen und sich aus dem Staub machen konnten, sobald sie sich sicher waren, dass der IWF die Zahlungen garantierte, haben diese Investoren große Verluste erlitten, als die Krisen ausbrachen - man kann also kaum behaupten, dass sie von den Finanzhilfen profitiert hätten.

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