Der zweifelhafte Segen genetischer Auswahl

Wissensfortschritte sind häufig ein zweifelhafter Segen. Ein offensichtliches Beispiel für diese Tatsache während der vergangenen 60 Jahre ist die Atomphysik. Während der kommenden 60 Jahre könnte die Genetik ein weiteres werden.

Schon heute bieten geschäftstüchtige Firmen Ihnen an, Ihnen gegen eine Gebühr alles über Ihre Gene zu erzählen. Sie behaupten, dieses Wissen würde Ihnen helfen, ein längeres und besseres Leben zu führen. So könnten Sie etwa an zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen, um frühzeitig Anzeichen jener Krankheiten festzustellen, für welche bei Ihnen das größte Erkrankungsrisiko besteht. Oder Sie könnten Ihre Ernährung umstellen, um diese Risiken zu verringern. Falls Ihre Chancen auf ein langes Leben nicht besonders gut sind, könnten Sie ggf. eine größere Lebensversicherung abschließen oder sogar vorzeitig in den Ruhestand gehen, um genügend Zeit für all jene Dinge zu haben, die Sie schon immer tun wollten.

Die Datenschützer bemühen sich mit gewissem Erfolg, die Versicherer daran zu hindern, vor Abschluss einer Lebensversicherung genetische Tests zu verlangen. Aber wenn Einzelne Tests durchführen können, die den Versicherungsunternehmen versagt sind, und diejenigen von ihnen, die negative genetische Informationen erhalten haben, dann – ohne die Ergebnisse der von ihnen durchgeführten Tests offen zu legen – zusätzliche Lebensversicherungen abschließen, so ist dies ein Betrug an den übrigen Versicherungsnehmern. Die Prämien müssen steigen, um die Verluste aufzufangen; und wer eine gute genetische Prognose hat, wird sich – um die Betrüger nicht zu subventionieren – ggf. entscheiden, ganz auf eine Lebensversicherung zu verzichten. Dies treibt die Prämien dann weiter in die Höhe.

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