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Der Geist von Bretton Woods

LONDON – Die Weltwirtschaft steht vor einer Sturmflut, und der Westen braucht die Hilfe Amerikas. So wie die traditionellen NATO-Verbündeten der Ukraine beim Kampf gegen die russischen Invasoren helfen, benötigen wir, um Frieden zu bekommen, die alten Bretton-Woods-Verbündeten. Dazu müssen wir den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank mit den nötigen Werkzeugen ausstatten, damit sie ärmere Länder, die von COVID-19, dem Klimawandel und den kriegsbedingten Preiserhöhungen für Energie und Lebensmittel betroffen sind, stabilisieren können.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wussten kluge Amerikaner, dass Wohlstand der beste Garant für den Frieden – und den dauerhaften Einfluss der USA – ist. Als sich Delegierte aus 44 Ländern in Bretton Woods, New Hampshire, trafen, um das internationale Finanzsystem der Nachkriegszeit zu planen, sprach US-Präsident Franklin Roosevelt vielen aus der Seele, als er erklärte: „Die wirtschaftliche Gesundheit eines jeden Landes ist auch für seine nahen und fernen Nachbarn ein wichtiges Thema.“ Gemeinsam mit europäischen Verbündeten riefen die Vereinigten Staaten die Weltbank und den IWF ins Leben – und dann den Marshall-Plan zum Wiederaufbau der zerstörten westlichen Volkswirtschaften, um diese für ihren Widerstand gegen die Sowjetunion zu stärken.

Heute braucht die Welt eine ähnliche visionäre Führung. Immerhin haben die wirtschaftlichen Verwerfungen durch die COVID-19-Pandemie weltweit 124 Millionen Menschen in extreme Armut gestürzt – der erste Anstieg der globalen Armut in diesem Jahrhundert. Und laut der Weltbank könnten bis zu einem Dutzend Entwicklungsländer in den kommenden Monaten nicht mehr in der Lage sein, ihre Schulden zu bedienen.

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