Heimreisefreiheit

NEW YORK – Westliche Medien beschreiben meinen Freund und Kollegen Chen Guangcheng als blinden Aktivisten, dem die Flucht in die Freiheit gelang, als China ihm gestattete, von Peking in die Vereinigten Staaten zu reisen. Entscheidend ist jedoch weder Chens Blindheit noch die Ausreise seiner Familie in die USA, sondern die Tatsache, dass er einer Vision universeller Menschenrechte anhängt, die nur dann vollständig umgesetzt werden kann, wenn China seinem Versprechen nachkommt und ihm eines Tages seine Heimkehr ermöglicht.

Auch in der Vergangenheit hat China Wissenschaftler und Dissidenten wie uns beide in das Exil gezwungen. Als sich im Jahr 1989 in China die Studentenbewegung formierte, absolvierte ich gerade mein Doktoratsstudium der Mathematik an der University of California in Berkeley. Ich reiste nach Peking, um als Aktivist an den Protesten am Tiananmen-Platz in Peking teilzunehmen, wo ich mit knapper Not dem Massaker entkam und anschließend in die USA zurückreisen konnte.

Aufgrund meines Aktivismus verweigerte China allerdings die Erneuerung meines Reisepasses. Als ich im Jahr 2002 nach China zurückkehrte, um der Bewegung für Arbeiterrechte beizustehen, benutzte ich den Reisepass eines Freundes. In China warf man mich als politischer Gefangener für fünf Jahre, bis 2007, ins Gefängnis. Davon verbrachte ich anderthalb Jahre in Einzelhaft. Ich durfte keine Besucher empfangen, bekam nichts zu lesen, ja nicht einmal Papier und Bleistift.  

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