leonard86_U.S. Department of Defense via Getty Images_balloon U.S. Department of Defense via Getty Images

Diplomatie nach dem Willen der Massen

MÜNCHEN – Ist vernünftige, vorausschauende Außenpolitik noch möglich? Nach Gesprächen mit Persönlichkeiten aus Politik, Diplomatie, Geheimdiensten und Wissenschaft im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz letzte Woche hatte ich meine Zweifel.

Man denke an die Beziehungen zwischen den USA und China. Erst vor einem Monat hielt Chinas Vizepremier Liu He eine versöhnliche Rede, die einige Beobachter als Teil einer auf den Westen abzielenden Charmeoffensive werteten. Danach hofften viele, dass US-Außenminister Antony Blinkens bereits zuvor für diesen Monat geplante Reise nach China für einen weiteren Spannungsabbau sorgen würde, nachdem Liu kürzlich auch mit US-Finanzministerin Janet Yellenzusammengetroffen war und Chinas Präsident Xi Jinping sich im November auf Bali mit US-Präsident Joe Biden beraten hatte.

Gerade weil man sich auf einen intensivierten Konkurrenzkampf eingelassen hatte, schienen beide Seiten darauf aus zu sein, ihre Rivalität einzudämmen und anzuerkennen, dass häufigere Kontakte notwendig sind, um sich gegen Missverständnisse und versehentliche Eskalationen zu wappnen. Doch dann kam die große Jagd auf den chinesischen Ballon, die jeden Gedanken an Entspannung ein Ende setzte. Als das große Flugobjekt über die Vereinigten Staaten schwebte, versuchte die Regierung Biden, die Nerven zu behalten, doch die öffentliche Meinung drängte bald auf eine Entscheidungsfindung im Bereich nationaler Sicherheit.

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