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Mythos Einkommensstagnation

WASHINGTON, D.C.: Nach herkömmlicher Meinung sind Einkommensstagnation und -ungleichheit in den USA große und weiter zunehmende Bedrohungen für einen Wohlstand auf breiter Basis. VieleÖkonomen, Journalisten, Wirtschaftsführer und Politiker beiderParteien sind der Ansicht, dass die (inflationsbereinigten) Realeinkommen eines Großteils der Haushalte seit Jahrzehnten nicht gestiegen sind und dass die Einkommensungleichheit – die Kluft zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Haushalten – in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat.

Schon bei beiläufiger Betrachtung könnte einem die Behauptung, dass die Einkommen seit Jahrzehnten stagnieren, unglaubwürdig erscheinen. Man werfe nur einen Blick auf den Konsum eines typischen Haushalts heute im Vergleich etwa zu 1992. Fortschritte bei der medizinischen Versorgung, sicherere Autos, die Verbreitung von Smartphones, Videokonferenzen mit Freunden und Familie und qualitativ höherwertige Haushaltsgeräte sind nur einige Beispiele der erheblichen Konsumzunahme während dieser Jahrzehnte. Hätte dieser deutliche Fortschritt wirklich mit stagnierenden Einkommen einhergehen können?

Sich bei der Berechnung wirtschaftlicher Trends auf Anekdoten und Intuition zu verlassen funktioniert bisweilen, aber kann genauso leicht in die Irre führen. Zum Glück sorgen an dieser Stelle vom überparteilichen Congressional Budget Office im letzten Monat veröffentlichte Statistiken für Klarheit. Das CBO ist der Schiedsrichter bei wirtschaftspolitischen Debatten in den USA, und seine Daten bestätigen, dass die herkömmliche Meinung völlig danebenliegt.

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