zizek21_Serhii MykhalchukGlobal Images Ukraine via Getty Images_ukraine Serhii Mykhalchuk/Global Images Ukraine via Getty Images

Die Achse der Leugnung

LJUBLJANA – Die Frau eines Trinkers liegt mit ihrem Liebhaber im Bett, als ihr Ehemann unerwartet hereinkommt und sich unter die Bettdecke legt. „Liebling, ich bin so betrunken, dass ich am Ende des Betts sechs Beine sehe“, sagt er. „Keine Sorge“, antwortet sie, „Geh einfach rüber zur Tür und schau nochmal von dort“. Dies tut er und meint erleichtert: „Du hast Recht, es sind nur vier Beine!“

Dieser Witz mag vulgär sein, aber er beschreibt ein wichtiges Phänomen: Meist glaubt man, eine Situation von außen klarer überblicken zu können, als wenn man direkt beteiligt ist. Aber manchmal ist es genau diese außenstehende Position, die einen für die Wahrheit blind macht. In dem Witz bekommt der Ehemann (der bei der Tür steht) aus der Entfernung den falschen Eindruck, beteiligt zu sein, und deshalb hält er die Beine des Liebhabers für seine eigenen.

Eine ähnliche Dynamik findet man hinsichtlich der westlichen Unterstützung für die Ukraine. Wir ignorieren die Tatsache, dass die größten Gewinner des ukrainischen Kampfes wahrscheinlich ein paar dortige Oligarchen sein werden. Wir sollten nicht überrascht sein, wenn die Nachkriegsukraine der Vorkriegsukraine ähneln wird – einem Land, das durch eine Oligarchie korrumpiert und von großen westlichen Konzernen kolonialisiert ist, die die besten räumlichen und natürlichen Ressourcen unter ihrer Kontrolle haben. Während wir uns für den Krieg aufopfern, erkennen wir nicht, dass die Vorteile von anderen abgeschöpft werden – ebenso wie der Trinker, der die Füße eines anderen für seine eigenen hält, weil er vielleicht unbewusst die Wahrheit nicht erkennen will.

https://prosyn.org/cTfLxrpde