goldberg24_ Samuel NacarSOPA ImagesLightRocket via Getty Images_refugeesboat Samuel Nacar/SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Ein Weckruf für die Einwanderungspolitik

NEW HAVEN – Ende Juni berichteten die westlichen Medien ungefähr eine Woche lang obsessiv über die Titan, ein kleines U-Boot, das ein paar Milliardäre und andere Abenteurer zum Wrack der Titanic bringen sollte und, wie sich später herausstellte, bereits wenige Stunden nach dem Abtauchen implodiert war. Etwa zeitgleich starben hunderte Menschen beim Untergang eines Schiffs mit 750 Geflüchteten, die aus wirtschaftlicher Not den gefährlichen Weg aus Afghanistan, Pakistan und Syrien nach Libyen gewagt hatte, wo ihre Überfahrt begann. Pakistan rief für seine ertrunkenen Bürger eine eintägige Staatstrauer aus. Der Westen dagegen nahm von diesem Unglück kaum Notiz.

Nun kann man natürlich der Presse nicht vorwerfen, dass sie den Geschmack ihres Publikums bedient. Die relativ spärliche Berichterstattung über die Tragödie der Migranten ist symptomatisch für die allgemeine Tendenz, das Leiden derjenigen zu ignorieren, die zufällig in weniger privilegierten Teilen der Welt geboren werden. In der Flüchtlingskrise von 2015 lösten Fotos eines kleinen geflüchteten Jungen, der an der türkischen Küste angespült worden war, noch Empörung und eine energische Reaktion der Politik in den reichen Ländern aus. Doch seither hat sich die Stimmung gedreht. Die westliche Öffentlichkeit ist inzwischen an solche Bilder gewöhnt und richtet ihren Blick meist nach innen oder konzentriert sich auf andere Themen.

Ein Zyniker würde vielleicht sagen, der Grund für die intensive Berichterstattung während der Flüchtlingskrise 2015 war weniger Idealismus, als pragmatische Sorgen, Europa können von den Millionen Menschen, die vor der Gewalt flohen, überrannt werden. Aber selbst wenn das der Fall wäre, müssten die Industriestaaten den Problemen der Entwicklungsländer heute aufgrund derselben Sorgen mehr Aufmerksamkeit schenken.

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