krueger64_Salih Zeki FazliogluAnadolu AgencyGetty Images_erdoganbridge Salih Zeki Fazlioglu/Anadolu Agency/Getty Images

Erdoğans wirtschaftliche Abrechnung

ISTANBUL – Die Siegesrunde des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nach seiner Wiederwahl im vergangenen Monat wird kurz sein, denn sein Land steht am Rande des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Auch als Erdoğans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) 2002 erstmals an die Macht kam, steckte die türkische Wirtschaft in der Krise. Damals wünschte sich eine überwältigende Mehrheit der Türken den Beitritt zur Europäischen Union. Die AKP-Regierung, die Erdoğan von 2003 bis zu seiner Ernennung zum Präsidenten 2014 führte, setzte daher Wirtschaftsreformen um und bewarb sich um die Mitgliedschaft.

Bis 2010 zeigten diese Reformen die gewünschte Wirkung. Das Pro-Kopf-Einkommen hatte sich verdreifacht, was die Weltbank veranlasste, die Türkei als Land mit mittlerem Einkommen der oberen Kategorie einzustufen. Die Inflationsrate war von einem Höchststand von über 100 % auf einen einstelligen Wert gesunken, obwohl die Wirtschaft rasch wuchs. Doch trotz dieser Fortschritte waren die EU-Beitrittsverhandlungen ins Stocken geraten. Als die Aussicht auf einen Beitritt in weite Ferne rückte, begann Erdoğan, Europa den Rücken zu kehren. Seine neue politische Strategie bestand darin, an die Religiosität der ländlichen Bevölkerung zu appellieren, was einen Wechsel von technokratischer Kompetenz zu autoritärem Populismus mit sich brachte.

Mit einer Bevölkerung von 85 Millionen und einer geopolitischen Nachbarschaft, die die Europäische Union, Russland und den Nahen Osten umfasst, musste Erdoğan stets ein kompliziertes diplomatisches Spiel spielen. Nachdem es ihm nicht gelungen war, eine Wunschliste mit Kampfflugzeugen und anderen Waffen von den USA zu erhalten, kaufte er stattdessen Waffen von Russland. Letztes Jahr half er bei der Aushandlung eines Abkommens mit Russland, um Getreidelieferungen aus ukrainischen Häfen zu ermöglichen, und er blockiert weiterhin den Beitritt Schwedens zur NATO mit der Begründung, dass Schweden Personen Zuflucht gewährt, die mit der kurdischen Arbeiterpartei in Verbindung stehen.

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