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Schuld an Nawalnys Tod ist die „Schocktherapie"

CAMBRIDGE: Der Tod des russischen Oppositionspolitikers und Kremlkritikers Alexei Nawalny in einer arktischen Strafkolonie hat die Welt schockiert, aber nicht unbedingt überrascht. Der umgewandelte Gulag mit Namen „Polarwolf“, in dem er starb, war für Schwerstkriminelle und nicht für politische Gefangene reserviert, für seine harschen Bedingungen bekannt, und Nawalny war ausgiebigst gefoltert worden.

Trotzdem waren die Umstände von Nawalnys plötzlichem Tod – nach einem gutgelaunten Auftreten vor Gericht am Vortag – mysteriös. Mit seinen 47 Jahren war Nawalny noch immer jung, und er schmiedete aktiv Pläne, was nahelegt, dass er der Zukunft weiterhin hoffnungsfroh entgegensah. Die Indizien deuten also nicht auf einen Tod aus „natürlichen Ursachen“ hin, wie die russischen Behörden behaupteten.

Freilich waren Nawalnys Tage gezählt, nachdem er jahrelang die Korruption von Präsident Wladimir Putins Regime aufgedeckt hatte. Im Jahr 2020 scheiterte der schwerwiegendste Anschlag auf sein Leben – eine beinah tödliche Vergiftung mit dem militärischen Nervengift Nowitschok –, als er zur Behandlung nach Deutschland geflogen wurde. Im Bewusstsein des Schicksals, das ihn in Russland erwartete, wo die Linie zwischen einer Haftstrafe und einem Todesurteil gefährlich dünn ist, entschied er sich trotzdem zu Rückkehr nach Moskau, wo er bei seiner Ankunft verhaftet und letztlich zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

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