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Warum die EU-Spitzenpolitik einen Ukraine-Friedensprozess fürchtet

ATHEN – Dieser Kommentar ist keine Polemik darüber, ob man Russland vertrauen kann,  einen künftigen Friedensvertrag mit der Ukraine einzuhalten. Ebenso wenig handelt es sich um Überlegungen über die Vorzüge einer Beendigung des Krieges mit diplomatischen Mitteln. Es geht vielmehr um eine Reflexion des jüngsten europäischen Paradoxons. Während nämlich ein Frieden in der Ukraine dazu beitragen würde, den wirtschaftlichen Aderlass Europas einzudämmen, wäre die Europäische Union in dem Moment, da irgendein Friedensprozess einsetzt, durch eine interne Ost-West-Bruchlinie gespalten, die auch den früheren Nord-Süd-Konflikt in der Union wieder aufleben lassen würde.   

Ein glaubwürdiger Friedensprozess wird schwierige Verhandlungen unter Beteiligung der Großmächte der Welt erfordern. Wer würde nun Europa an diesem hochrangig besetzten Verhandlungstisch vertreten? Schwer vorstellbar, dass die Staats- und Regierungschefs aus Polen, Skandinavien und den baltischen Ländern diese Rolle ihren französischen oder deutschen Amtskollegen überlassen.

An den östlichen und nordöstlichen Flanken der EU gilt der französische Präsident Emmanuel Macron als Putin-Beschwichtiger, der den Ukrainern eine (in deren Augen) verwerfliche Land-für-Frieden-Agenda aufzwingen will. Und abgesehen von Deutschlands langfristiger Abhängigkeit von russischer Energie ist auch Kanzler Olaf Scholzs Ansehen als Bannerträger kollektiver europäischer Interessen durch seine 200 Milliarden schweren fiskalischen Schutzmaßnahmen für die deutsche Industrie weiter beschädigt worden – bei denen es sich um jene Art eines steuerfinanzierten Schutzschildes handelt, gegen den Deutschland auf EU-Ebene sein Veto einlegte. 

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