Politische Götterdämmerung

Längere Zeit dachte ich, dass der 22. Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten die wohl beste Methode sei, um zu gewährleisten, dass politische Führer nicht länger als wünschenswert im Amt bleiben und – was genauso wichtig ist – nichts von ihrer Durchsetzungsfähigkeit einbüßen. Der besagte Verfassungszusatz untersagt es US-Präsidenten, ihr Amt für mehr als zwei Amtszeiten auszuüben.

Vielleicht waren mir dabei die Schwierigkeiten entfallen, die die Vorgänger von Präsident George W. Bush während ihrer zweiten Amtszeiten erlebten. Allerdings zeigt Bushs eigenes gegenwärtiges Dilemma, dass die verfassungsmäßige Amtszeitbegrenzung eigene Probleme birgt. Um nur eines davon zu nennen: Es macht den Präsidenten irgendwann im Verlauf seiner zweiten Amtszeit zur „lahmen Ente“. Erinnert sich noch jemand, dass Bush nach seiner Wiederwahl eine Reform des Pensionssystems („Social Security“) ankündigte? Inzwischen ist klar erkennbar, dass er weitgehend lahm gelegt ist – nicht nur von den oppositionellen Demokraten, sondern auch, und vielleicht noch stärker, durch die Nachfolgekämpfe innerhalb der eigenen Partei.

Allerdings zeigt das Schicksal seines Freundes, des britischen Premierministers Tony Blair, dass der Status der „lahmen Ente“ einen auch ohne verfassungsmäßige Amtszeitbegrenzung ereilen kann – tatsächlich sogar ohne geschriebene Verfassung. Freilich hat Blair den fatalen Fehler begangen, das Ende seiner Amtszeit selbst zu begrenzen, indem er ankündigte, die Labour Party nicht in einen vierten Wahlkampf führen zu wollen. Doch selbst ohne eine derartige Zusicherung würde er es – angesichts der Stimmung in Partei und Land – schwer haben, ein Reformprogramm mit einem Gefühl für das Machbare zu verknüpfen.

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