rogoff232_PHILIP FONGAFP via Getty Images_japanstockmarket Philip Fong/AFP via Getty Images

Der drohende finanzielle Dominoeffekt

CAMBRIDGE, MASS.: Die Tatsache, dass die Welt 2022 keine systemische Finanzkrise erlebte, ist ein kleines Wunder angesichts des steilen Anstiegs von Inflation und Zinsen (von der massiven Zunahme geopolitischer Risiken gar nicht zu reden). Doch angesichts der während der nun zu Ende gegangenen Ära ultraniedriger Zinssätze auf Rekordniveau gestiegenen öffentlichen und privaten Schulden und hoher Rezessionsrisiken steht das globale Finanzsystem vor einem riesigen Stresstest. Eine Krise in einer hochentwickelten Volkswirtschaft – z. B. Japan oder Italien – ließe sich nur schwer eindämmen.

Zwar hat die verschärfte Regulierung die Risiken für die Kernbanksektoren abgemindert, doch das hat lediglich zu einer Risikoverlagerung in andere Bereiche des Finanzsystems geführt. Die steigenden Zinssätze etwa haben viele private Beteiligungsgesellschaften, die zum Erwerb von Immobilien hohe Kredite aufgenommen haben, enorm unter Druck gesetzt. Angesichts eines sich andeutenden steilen, nachhaltigen Rückgangs der Preise für Wohnraum und Gewerbeimmobilien dürften einige diese Unternehmen höchstwahrscheinlich pleitegehen.

In diesem Fall könnten die Kernbanken, die einen Großteil der Finanzmittel für die Immobilienkäufe der privaten Beteiligungsgesellschaften zur Verfügung gestellt haben, Probleme bekommen. Das ist u. a. deshalb noch nicht passiert, weil schwach regulierte Unternehmen weniger stark unter Druck stehen, ihre Bücher den Marktpreisen anzupassen. Doch man stelle sich vor, dass die Zinsen auch während einer Rezession hartnäckig hoch bleiben (was angesichts des Ausstiegs aus der Ära ultraniedriger Zinssätze eindeutig möglich ist). In diesem Fall könnten weit verbreitete Zahlungsausfälle es schwer machen, den Schein zu wahren.

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