Die Kunst des Möglichen in Lateinamerika

Kurz nach seiner Wahl zum ersten linksgerichteten Präsidenten Uruguays erklärte Tabaré Vasquez: „Wir müssen die Zukunft aus den Beschränkungen der Gegenwart aufbauen.” Ganz Lateinamerika steht im Zeichen des Wiederaufbaus und Wandels. Eine so genannte „rosarote Welle“ brachte Politiker wie Vazquez in den Mittelpunkt des politischen Geschehens. Für Nordamerika und Europa ist das eine Herausforderung. Reformen und hohe Rohstoffpreise sind für die Entwicklung in der Region verantwortlich. Den Ökonomien in Lateinamerika geht es heute so gut wie schon lange nicht.

Dieser Wiederaufbau tritt allerdings nicht über Nacht ein. Die „Beschränkungen“ von denen Vazquez sprach, sind enorm. Lateinamerika ist noch immer weit davon entfernt, mit China oder Indien konkurrieren zu können. Und die Kluft zwischen Arm und Reich bleibt weiterhin die tiefste der Welt. Die reichsten 10 % der Bevölkerung verdienen beinahe die Hälfte des Gesamteinkommens während die ärmsten 10 % es auf gerade einmal 1,6 % bringen. Im Gegensatz dazu verfügen in den Industrieländern die reichsten 10 % der Bevölkerung über einen Anteil von 29,1 % am Gesamteinkommen, während die ärmsten einen Anteil von 2,5 % aufweisen.

In Lateinamerika und der Karibik leben 25 % der Menschen von weniger als 2 Dollar am Tag. Fünfzig Millionen Menschen – das entspricht etwa der Einwohnerzahl Großbritanniens – müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag ihr Auskommen finden. Außerdem verfügen 14 % der Bevölkerung in der Region über ein zu geringes Einkommen, um sich grundlegende medizinische Versorgung leisten zu können. Korruption und Ineffizienz stehen auf der Tagesordnung, wodurch das ohnehin mäßige Vertrauen in die Institutionen noch weiter untergraben wird. Auch Investitionen in die Infrastruktur sind in letzter Zeit dramatisch zurückgegangen.

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