Sehkraft für Israels Blinde

PARIS – Einen Hoffnungsschimmer in der Israel-Palästina-Frage zu finden ist schwierig geworden, wenn nicht gar unmöglich. Die meisten Israelis glauben heute, dass es in ihrer Generation keine friedliche Lösung geben wird. Was die Palästinenser angeht, hat die politische Pattsituation und die anhaltende israelische Okkupation zur Radikalisierung geführt: Wenn sie nicht wenigstens „etwas“ haben können, wollen sie alles.

Und viele glauben, dass die Zeit ungeachtet der heutigen Schwäche der Palästinenser auf ihrer Seite ist. Selbst äußerst gemäßigte Palästinenser lehnen nun die Hilfsangebote der israelischen Linken ab, bei denen es um menschliche Unterstützung gegen die Aktionen israelischer Siedler oder Polizisten geht. Der politische Dialog zwischen Gemäßigten aus beiden Lagern ist größtenteils verstummt, und persönliche Kontakte haben sich auf ein Minimum verringert. In den Straßen von Jerusalem hat man den Eindruck, dass Israelis und Palästinenser absichtlich versuchen, sich nicht zu beachten.

Da Israel zudem immer stärker einem erfolgreichen Industrieland ähnelt, neigen die jüdischen Bürger des Landes dazu, die arabischen Bürger zu ignorieren, genau wie die Reichen anderswo häufig die Armen in ihrer Mitte übersehen. Doch anders als die Armen in vielen Schwellen- und Industrieländern, die auf soziale Mobilität hoffen können, sind israelische Araber Bürger zweiter Klasse, selbst wenn ihr Lebensstandard nach wie vor höher ist als der der meisten anderen Araber in der Region. Doch aus dem 5. Buch Mose wissen wir: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“

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