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Der Untergang der Demokratie?

MADRID – Im Jahr 1947, zwei Jahre nachdem Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben dem Erdboden gleichgemacht worden waren, stellte das Bulletin of the Atomic Scientists die Weltuntergangsuhr vor, um zu vermitteln, wie nahe die Welt vor der Auslöschung stand – und um Maßnahmen anzuregen, die „Zeit zurückzudrehen.“ Heute sollte über die Notwendigkeit einer Uhr nachgedacht werden, die anzeigt, wie knapp unsere Demokratien vor dem Zusammenbruch stehen. Auf einer derartigen Demokratie-Untergangsuhr würden wir uns rasch in Richtung Mitternacht bewegen.

Die liberale Demokratie gründet auf der Idee, dass Individuen, die rational in ihrem eigenen Interesse handeln, zu guten Ergebnissen gelangen. In den letzten Jahren kam es allerdings zur Aushöhlung beinahe jedes Aspektes dieser Prämisse. Zunächst einmal sind die weit verbreitete Stagnation der Einkommen und die sprunghaft ansteigende Ungleichheit, insbesondere seit der Finanzkrise 2008, kaum ein Ergebnis, für das sich die meisten vernünftigen Menschen entscheiden würden.

Außerdem hat das schwindende Vertrauen in die Institutionen jene Bedingungen verschlechtert, die Menschen bauchen, um informierte Entscheidungen zu treffen. Die traditionellen Medien, von denen lange Zeit erwartet wurde, dass sie als Wächter der Information dienen, werden durch Online-Angebote ergänzt und umgangen. Das Geschäftsmodell dieser Online-Medien ermuntert sie, ihre Nutzer in deren Überzeugungen und Interessen zu bestärken und dies oftmals durch die Verbreitung falscher oder irreführender Informationen.

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