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Die Brexitisierung der europäischen Politik

BRÜSSEL – Das Brexit-Referendum von 2016 und die daran anschließenden Verhandlungen mit der Europäischen Union sind nicht nur weit davon entfernt, die Frage der Zukunft des Vereinigten Königreichs zu entscheiden. Sie haben zudem in Großbritannien eine ausgewachsene Identitätskrise und einen regelrechten Kulturkampf ausgelöst. Zwei Jahre, nachdem die britischen Wähler mit 52% zu 48% für den Austritt aus der EU stimmten, lässt sich eindeutig sagen, dass der Plan des früheren Premierministers David Cameron, eine langjährige Nischendebatte innerhalb der Konservativen Partei zu beenden, spektakulär nach hinten losgegangen ist.

Der Brexit hat dazu geführt, dass das politische und gesellschaftliche Leben im Vereinigten Königreich polarisierter ist denn je. Während die Brexit-Befürworter eine zunehmend spalterische – und sogar gewalttätige – Rhetorik verbreiten, marschierten kürzlich hunderttausende von „Remainern“ durch London und forderten ein „Bevölkerungsvotum“, um den wie auch immer gearteten Austrittsvertrag, den die Regierung vorschlagen wird, zu genehmigen.

Laut einem neuen Bericht des britischen National Center for Social Research ersetzen Zustimmung oder Ablehnung in Bezug auf den Brexit die Parteizugehörigkeit zunehmend als maßgeblichen Faktor britischer politischer Identität. Konkret stellten die Wissenschaftler fest: „Fast neun von zehn Mitgliedern unseres Panels sagten, sie seien ‚Remainer‘ bzw. ‚Leaver‘, während sich weniger als zwei Drittel nach eigener Aussage mit einer politischen Partei identifizierten.“

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