Wieso eigentlich? Man stelle sich nur einmal vor, ein der Proliferation von Massenzerstörungswaffen verdächtigter Staat könnte einem ständigen und einschneidenden System internationaler Inspektionen unterworfen werden, die alles überschreiten, was internationale Verträge bisher verlangen. Die Welt wäre sicherer. Und die Regierung, welche durch ihren Druck dazu verholfen hätte, würde allenthalben wegen ihrer staatsmännischen Weitsicht gepriesen.
Ein solches Kontrollsystem gibt es bereits. Das Land, das es ertragen muß, ist der Irak, die Regierung, die es zuwege gebracht hat, ist die der Vereinigten Staaten. Wenn es dabei bliebe, verdiente der amerikanische Präsident Bush jedes Lob. Ohne seine Entschlossenheit, unterstützt durch eine eindrucksvolle Demonstration militärischer Stärke wie durch geschickte Diplomatie, wäre das militärische Potential des Iraks heute nicht einem Offenlegungsdruck ausgesetzt, der weit über alles hinausgeht, was anderen Möchtegern-Proliferateuren zu Teil wird.
Die Voraussetzung für diesen außergewöhnlichen Erfolg war die glaubhafte Drohung mit militärischer Gewalt. Aber gerade weil er so außergewöhnlich ist, gibt es keinen Sinn, die Drohung wahr zu machen und den Irak anzugreifen. Denn selbst wenn die Regierung in Bagdad im Verlauf der Inspektionen durch das Aufspüren versteckter Waffenlager der Lüge überführt würde, wäre dies doch gerade die Bestätigung, daß die Inspektionen greifen, kaum aber die Rechtfertigung militärischer Zwangsmaßnahmen. Die beste aller "ernsthaften Konsequenzen", vor denen der Sicherheitsrat den Irak für den Fall von Zuwiderhandlungen in gewarnt hat, wären weitere Bemühungen, die verbotenen Waffen und Rüstungsprogramme des Landes durch ständige Inspektionen zu zerstören - Inspektoren, nicht Invasoren.
Gewiß, der Grad zwischen wirksamer Abschreckung und riskantem Handeln ist schmal - es bedarf großen Geschicks, darauf nicht auszurutschen. Wenn ein feindliches Land sich fügen soll, muß ihm die Drohung militärischer Gewalt real erscheinen, der Wille der drohenden Macht, notfalls zu handeln, eindeutig. Dem amerikanischen Präsident ist zuzubilligen, daß er bisher auf dem schmalen Grad noch nicht ausgerutscht ist.
Dennoch scheinen viele seiner Berater entschlossen, ihn auf Krieg festzunageln. Die Rede vom unmittelbar bevorstehenden Einsatz prägt inzwischen alle offiziellen US-Äußerungen so sehr, daß es dem Präsidenten als Führungsschwäche angelastet werden könnte, sollte er doch noch darauf verzichten, gegen den Irak militärisch vorzugehen.
Wenn große Staaten in den Krieg ziehen, dann allzuoft, weil ihre Anführer sonst den Verlust ihrer Glaubwürdigkeit fürchten. Die Kriegspartei in Washington bereitet sich darauf vor, mit Hilfe des Glaubwürdigkeitsarguments den Präsidenten zum Angriff zu veranlassen. Und das, obwohl selbst die ungestümsten Befürworter militärischen Vorgehens zugeben müssen, daß damit erhebliche Risiken verbunden wären. Auch wenn manche Lehnstuhl-Orientalisten meinen, ein Regimewechsel in Bagdad werde im ganzen Nahen Osten eine Periode von Frieden und Stabilität einleiten, weiß ich doch keinen ernsthaften Kenner der Region, der diese Auffassung teilte.
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Diejenigen, die verhindern wollen daß die Region in einen unnötigen und gefährlichen Konflikt hineinschlittert, müssen deshalb dem umgekehrten Glaubwürdigkeitsargument Respekt verschaffen. Sie müssen dem amerikanischen Präsidenten und der amerikanischen Öffentlichkeit deutlich machen, daß Amerika wahrlich stolz darauf sein kann, was es bereits erreicht hat - und daß ein Krieg gegen den Irak den immensen Vorteil verspielen würde, vor aller Welt demonstriert zu haben, daß internationale Inspektionen ein wirksames Mittel gegen die Gefahren der Proliferation sein können.
Sie sollten den Präsidenten öffentlich wegen dieser staatsmännischen Leistung loben - als den Mann, ohne den es keine wirksame Handhabe gegen irakische Massenzerstörungswaffen gäbe, ohne den das Regime in Bagdad und dessen Einfluß im Nahen Osten nicht bereits empfindlich geschwächt wären. George Bush, sollten sie hinzufügen, würde durch den Verzicht auf Krieg nicht etwa an Glaubwürdigkeit verlieren, sondern erst recht gewinnen. Und um ihrem Lob jeden Anflug von Drückebergerei zu nehmen, sollten sie keinerlei Zweifel daran lassen, daß sie fest an Amerikas Seite stehen, falls der Krieg tatsächlich die letzte Option bliebe. Zugleich sollten sie deutlich machen, daß Krieg nicht die einzige und ganz gewiß nicht die automatische "ernsthafte Konsequenz" irakischen Fehlverhaltens ist.
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For almost a year, many hoped that Israel's war with Hamas would not spread beyond Gaza. But attacks on northern Israel by Hezbollah in southern Lebanon, and now the decision by both groups' backer, Iran, to fire ballistic missiles at Israel, has made a regional conflict all but inevitable.
explains why the fighting between Israel and Hamas has escalated into a regional conflict involving Iran.
Wieso eigentlich? Man stelle sich nur einmal vor, ein der Proliferation von Massenzerstörungswaffen verdächtigter Staat könnte einem ständigen und einschneidenden System internationaler Inspektionen unterworfen werden, die alles überschreiten, was internationale Verträge bisher verlangen. Die Welt wäre sicherer. Und die Regierung, welche durch ihren Druck dazu verholfen hätte, würde allenthalben wegen ihrer staatsmännischen Weitsicht gepriesen.
Ein solches Kontrollsystem gibt es bereits. Das Land, das es ertragen muß, ist der Irak, die Regierung, die es zuwege gebracht hat, ist die der Vereinigten Staaten. Wenn es dabei bliebe, verdiente der amerikanische Präsident Bush jedes Lob. Ohne seine Entschlossenheit, unterstützt durch eine eindrucksvolle Demonstration militärischer Stärke wie durch geschickte Diplomatie, wäre das militärische Potential des Iraks heute nicht einem Offenlegungsdruck ausgesetzt, der weit über alles hinausgeht, was anderen Möchtegern-Proliferateuren zu Teil wird.
Die Voraussetzung für diesen außergewöhnlichen Erfolg war die glaubhafte Drohung mit militärischer Gewalt. Aber gerade weil er so außergewöhnlich ist, gibt es keinen Sinn, die Drohung wahr zu machen und den Irak anzugreifen. Denn selbst wenn die Regierung in Bagdad im Verlauf der Inspektionen durch das Aufspüren versteckter Waffenlager der Lüge überführt würde, wäre dies doch gerade die Bestätigung, daß die Inspektionen greifen, kaum aber die Rechtfertigung militärischer Zwangsmaßnahmen. Die beste aller "ernsthaften Konsequenzen", vor denen der Sicherheitsrat den Irak für den Fall von Zuwiderhandlungen in gewarnt hat, wären weitere Bemühungen, die verbotenen Waffen und Rüstungsprogramme des Landes durch ständige Inspektionen zu zerstören - Inspektoren, nicht Invasoren.
Gewiß, der Grad zwischen wirksamer Abschreckung und riskantem Handeln ist schmal - es bedarf großen Geschicks, darauf nicht auszurutschen. Wenn ein feindliches Land sich fügen soll, muß ihm die Drohung militärischer Gewalt real erscheinen, der Wille der drohenden Macht, notfalls zu handeln, eindeutig. Dem amerikanischen Präsident ist zuzubilligen, daß er bisher auf dem schmalen Grad noch nicht ausgerutscht ist.
Dennoch scheinen viele seiner Berater entschlossen, ihn auf Krieg festzunageln. Die Rede vom unmittelbar bevorstehenden Einsatz prägt inzwischen alle offiziellen US-Äußerungen so sehr, daß es dem Präsidenten als Führungsschwäche angelastet werden könnte, sollte er doch noch darauf verzichten, gegen den Irak militärisch vorzugehen.
Wenn große Staaten in den Krieg ziehen, dann allzuoft, weil ihre Anführer sonst den Verlust ihrer Glaubwürdigkeit fürchten. Die Kriegspartei in Washington bereitet sich darauf vor, mit Hilfe des Glaubwürdigkeitsarguments den Präsidenten zum Angriff zu veranlassen. Und das, obwohl selbst die ungestümsten Befürworter militärischen Vorgehens zugeben müssen, daß damit erhebliche Risiken verbunden wären. Auch wenn manche Lehnstuhl-Orientalisten meinen, ein Regimewechsel in Bagdad werde im ganzen Nahen Osten eine Periode von Frieden und Stabilität einleiten, weiß ich doch keinen ernsthaften Kenner der Region, der diese Auffassung teilte.
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Sie sollten den Präsidenten öffentlich wegen dieser staatsmännischen Leistung loben - als den Mann, ohne den es keine wirksame Handhabe gegen irakische Massenzerstörungswaffen gäbe, ohne den das Regime in Bagdad und dessen Einfluß im Nahen Osten nicht bereits empfindlich geschwächt wären. George Bush, sollten sie hinzufügen, würde durch den Verzicht auf Krieg nicht etwa an Glaubwürdigkeit verlieren, sondern erst recht gewinnen. Und um ihrem Lob jeden Anflug von Drückebergerei zu nehmen, sollten sie keinerlei Zweifel daran lassen, daß sie fest an Amerikas Seite stehen, falls der Krieg tatsächlich die letzte Option bliebe. Zugleich sollten sie deutlich machen, daß Krieg nicht die einzige und ganz gewiß nicht die automatische "ernsthafte Konsequenz" irakischen Fehlverhaltens ist.