mueller42_CHP HandoutAnadolu Agency via Getty Images CHP /Handout/Anadolu Agency via Getty Images

Das Dilemma der Anti-Populisten

PRINCETON – Nach einem Jahr zäher Verhandlungen haben sechs türkische Oppositionsparteien endlich einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten gefunden, mit dem sie hoffen, Recep Tayyip Erdoğans zunehmend autokratische und repressive Herrschaft beenden zu können. Erst diesen Monat einigte sich der sogenannte Sechser-Tisch auf Kemal Kılıçdaroğlu, den Chef der sozialdemokratischen und laizistischen Republikanischen Volkspartie (CHP). Damit übergingen sie jüngere, charismatischere Konkurrenten, wie den ebenfalls der CHP angehörenden Bürgermeister von Istanbul, dem es 2019 gelungen war, die Herrschaft von Erdoğans Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) über die Stadt zu beenden.

Wenn ein autoritäres populistisches Regime die demokratischen Spielregeln zu seinen Gunsten manipuliert, ist es nur vernünftig, wenn mehrere Oppositionsparteien ihre Kräfte bündeln, um überhaupt eine Chance auf den Sieg zu haben. Ein solcher Zusammenschluss ist aber noch lange kein Garant für den Sieg. Im Gegenteil: der schwierigste Teil kommt erst nach der Einigung.

Oppositionsparteien, die zusammenarbeiten, um einen bestimmten Staatschef oder eine Partei, und insbesondere einen populistischen „starken Mann“ vom Thron zu stoßen, müssen dieses unbedingte Ziel über ihre anderen programmatischen Inhalte stellen. Schließlich arbeiten viele populistische Führungsfiguren erfolgreich daran, die Demokratie auszuhöhlen, und man kann mit gutem Grund annehmen, dass sie ihre Sabotagearbeit im Fall einer Wiederwahl fortsetzen.

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