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Wie geht es weiter mit den EU-Haushaltsregeln?

BRÜSSEL: Am 9. November 2022 veröffentlichte die EU-Kommission einen Entwurf zur Reform des wirtschaftlichen Steuerungsrahmens der EU. Das Dokument sieht u. a. einen stärker integrierten Ansatz zur wirtschaftspolitischen Überwachung durch die EU, mehr nationale Eigenverantwortung, vereinfachte Regeln zur Steuerung von Haushaltsrisiken und eine bessere Durchsetzung dieser Regeln vor. Doch wecken die Details des Vorschlags Zweifel an der Erreichbarkeit dieser Ziele. Insbesondere lässt die Fiskalkomponente des Vorschlags drei grundlegende Fragen unbeantwortet.

Die erste Frage ist, ob die neuen Regeln Staatsinsolvenzen verhindern würden. In 2021 wiesen sieben Euroländer eine gesamtstaatliche Bruttoverschuldung von mehr als 100 % vom BIP auf. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bevor die Finanzmärkte bezüglich der Tragfähigkeit der Schulden einiger dieser Länder nervös werden. Doch ist die von der Kommission vorgeschlagene Methode zum Umgang mit einer Überschuldung sogar noch großzügiger als die bestehende Methode im Rahmen des Stabilität- und Wachstumspaktes (SWP).

Der Entwurf verwirft die bisherige „Zwanzigstel-Regel“ zum Schuldenabbau mit der Begründung, die Vorgabe an die Regierungen, ihre Schulden jährlich um ein Zwanzigstel des 60 % vom BIP übersteigenden Betrags abzugeben, sei zu anspruchsvoll. Stattdessen möchte die Kommission, dass Mitgliedstaaten mit „erheblichen“ oder „mittleren“ Schuldenherausforderungen ein mittelfristiges haushaltspolitisches Programm aushandeln, das einen plausiblen Pfad zum Schuldenabbau umfasst. Das Dokument führt weder das Tempo der haushaltspolitischen Anpassung näher aus – das zu einem späteren Zeitpunkt in der Methodik zur Analyse der Schuldentragfähigkeit erläutert werden soll – noch nennt es die Kriterien für die Einstufung von Schuldenherausforderungen als „erheblich“, „mittel“ oder „niedrig“.

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