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Haitis Proud Boys

LJUBLJANA: So wie die Dinge derzeit in Haiti ablaufen, könnten die dortigen gewalttätigen Banden nicht nur eine offizielle staatliche Rolle erhalten, sondern sogar selbst die Regierung übernehmen. Nach Inbesitznahme wichtiger Infrastruktur durch die Banden und dem Rücktritt von Premierminister Ariel Henry zeigt Haiti all die bekannten Merkmale eines gescheiterten Staates. Seine Bevölkerung steht vor der tragischen Wahl zwischen der fortgesetzten Herrschaft einer korrupten „demokratischen“ Elite und der direkten Herrschaft sich selbst als „progressiv“ darstellender Banden.

Angesichts des Zusammenbruchs von Recht und Ordnung hat die regionale zwischenstaatliche karibische Organisation CARICOM eine Übereinkunft zur Einrichtung eines Übergangsrates angekündigt, der ein breites Spektrum der politischen und zivilgesellschaftlichen Gruppierungen Haitis repräsentieren soll. Der Rat würde dabei einige Befugnisse ausüben, die regelhaft zum (vakanten) Amt des Präsidenten zugeordnet sind, darunter die Befugnis zur Ernennung eines Übergangspremiers. Von der so geschaffenen Regierung würde erwartet, dass sie früher oder später Wahlen abhält, wodurch ein vollständiger politischer Neustart erreicht würde.

Aber wen werden diese neuen Vereinbarungen mit einschließen? In Haiti herrscht derzeit Ausnahmezustand, nachdem bewaffnete Gruppen Anfang des Monats das größte Gefängnis des Landes attackierten, Polizisten und Gefängnispersonal töteten und fast 4000 Insassen die Flucht ermöglichten. Bandenchef Jimmy „Barbecue“ Chérizier – selbst ehemaliger Polizist – hat die Verantwortung für den Angriff übernommen und zum Sturz der Regierung aufgerufen. Inzwischen kontrollieren die Banden 80 % der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince und halten den wichtigsten Flughafen des Landes besetzt. Letzteres soll Henrys Rückkehr von einer diplomatischen Mission in Kenia verhindern, wo er Verstärkung für die Polizei des Landes zu beschaffen suchte.

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