Globalisierung und Antiamerikanismus

Antiamerikanische Stimmungen nehmen weltweit zu. In den USA behaupten die Demokraten, dass durch die Politik von Präsident Bush Amerikas Attraktivität leichtfertig vertan wurde. Die Republikaner entgegen, dass Amerika aufgrund seiner Größe und seiner Rolle bei der Globalisierung zwangsläufig auf Ablehnung stoßen muss. Der Antiamerikanismus, so sagen sie, wird sich fortsetzen, weil einige Menschen Amerika als kulturelle Bedrohung wahrnehmen. Meiner Ansicht nach mangelt es dieser Sichtweise an historischer Perspektive.

Entgegen traditioneller Sicht bewirkt die Globalisierung keine Homogenisierung und Amerikanisierung der Kulturen unserer Welt. Zwar stehen die Vereinigten Staaten an vorderster Front der gegenwärtigen Revolution in der Informationstechnologie, die viele der Amerikanisierung zugeschriebene Ähnlichkeiten bei den sozialen und kulturellen Gewohnheiten (wie etwa Fernsehkonsum und Internetnutzung) hervorbringt; Parallelität der Ereignisse ist jedoch nicht gleich Kausalzusammenhang.

Um sich dies vor Augen zu führen, sollten wir uns ein Land vorstellen, das in einer Welt, in der Amerika nicht existiert, mit großer Geschwindigkeit Computer und ein Fernmeldewesen einführt. Man würde trotzdem erwarten, dass diese Modernisierung erhebliche soziale und kulturelle Veränderungen nach sich zieht. Weil es die USA gibt und sie an vorderster Front der Revolution in der Informationstechnologie stehen, gibt es natürlich ein gewisses Maß an Amerikanisierung; dieses jedoch dürfte sich im Verlaufe des 21. Jahrhunderts verringern, je stärker sich die betreffenden Technologien verbreiten und örtliche Kulturen sich auf jeweils eigene Art modernisieren.

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