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Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 in Afrika

WASHINGTON, DC – Die Corona-Pandemie hätte für Afrika zu keinem schlechteren Zeitpunkt kommen können. Trotz einer verbesserten gesamtwirtschaftlichen Steuerung während des letzten Jahrzehnts fehlt es dem Kontinent noch immer an den Ressourcen, um das hohe Niveau der Armut und Ungleichheit zu bekämpfen, Arbeitsplätze im formalen Sektor zu schaffen und die zur Aufnahme von jährlich zwölf Millionen jungen Menschen durch den Arbeitsmarkt erforderlichen strukturellen Veränderungen zu unterstützen. Und nun droht COVID-19, Afrika wirtschaftlich das Genick zu brechen.

Afrikas niedriges durchschnittliches Jahreswachstum von 3,3% in den Jahren 2014-2019 war vor allem das Ergebnis fehlerhafter Entwicklungsstrategien, die sich, statt wettbewerbsfähige arbeitsintensive Sektoren zu fördern, auf nicht überlebensfähige, kapitalintensive Branchen (häufig in den Rohstoffsektoren) konzentrierten. Dieses unzureichende Wachstum wiederum beschränkte die staatlichen Finanzspielräume, was unterfinanzierte Gesundheitssysteme, eine schwache Regierungsführung, rasch zunehmende Staatsverschuldung und große Infrastrukturdefizite zur Folge hatte.

Angesichts des prekären Zustands von Afrikas Gesundheitseinrichtungen und seinem Mangel an Ärzten, Gesundheitshelfern, Medikamenten und medizinischen Versorgungsgütern dürften die COVID-19-Infektionen steil ansteigen und eine humanitäre Krise auslösen, über die dann höchstwahrscheinlich nirgends berichtet wird. Besonders stark verbreiten könnte sich das Virus in ärmeren Gebieten ohne Wasserversorgung und Kanalisation und in Gemeinschaften, in denen ein geringer Bildungsstand, fest verwurzelte soziale Gewohnheiten und Skepsis gegenüber der Regierung die Bemühungen zur Eindämmung des Virus komplizieren. Falls nicht bald ein Mittel gegen COVID-19 allgemein verfügbar wird, könnte die Pandemie Afrika verheeren.

Zudem wird der anhaltende Stillstand bei der Wirtschaftsaktivität in den G20-Ländern (von denen einige schwere Rezessionen erleben werden) einen steilen Rückgang des weltweiten Wachstums bewirken. Dies wird Afrikas Exporte – den wichtigsten Wachstumsmotor des Kontinents – schwer treffen und die Handels- und Leistungsbilanzdefizite der afrikanischen Länder verschärfen. Und auch die Überweisungen im Ausland arbeitender Afrikaner und die ausländischen Direktinvestitionen werden zurückgehen, wenn die Pandemie die Wirtschaft in den hochentwickelten Ländern abwürgt.

Darüber hinaus werden niedrigere Preise für Öl, Erdgas, Metalle und Mineralien die Haushaltslage in vielen großen afrikanischen Volkswirtschaften – insbesondere Nigeria, Südafrika, Algerien, Kamerun, Angola, der Demokratischen Republik Kongo, Äquatorialguinea, dem Tschad, dem Kongo und Tansania – erheblich beeinträchtigen und die Regierungen zwingen, in einer äußerst schwierigen Zeit schmerzhafte gesamtwirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.

Noch schlimmer ist, dass Afrikas Fähigkeit zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mittels der Geld- und Fiskalpolitik beschränkt ist. Während Regierungen und Notenbanken weltweit robuste und häufig beispiellose kurzfristige Konjunkturmaßnahmen verabschiedet haben, haben die meisten afrikanischen Länder hierzu nicht den politischen Spielraum und die Fähigkeiten, oder sie werden durch finanzielle Regelungen eingeschränkt, die sie an der Umsetzung nationaler Strategien hindern.

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Zwar haben einige Länder – darunter Marokko, Ghana, Mauritius und Kenia – nationale Konjunkturprogramme gestartet und Strukturreformen eingeleitet, um ihre mittelfristigen Haushaltsaussichten zu verbessern. Doch wären derartige Maßnahmen effektiver, wenn sie auf kontinentaler Ebene konzipiert und umgesetzt würden.

Kurzfristig braucht Afrika größere Haushaltsspielräume, um die Ausgaben für das Gesundheitswesen zu steigern, die Verbreitung von COVID-19 einzudämmen, den am schwersten betroffenen Sektoren zu helfen und den Binnenkonsum anzukurbeln, während die Notenbanken des Kontinents die Zinsen senken und Unternehmen und Haushalten zusätzliche Liquidität zuführen sollten. Doch sollten alle Ausgaben transparent umgesetzt, von unabhängigen Haushaltsräten überwacht und durch glaubwürdige Reformprogramme zur Verbesserung des mittelfristigen Finanzrahmens ergänzt werden. Um diese Ziele zu erreichen, sollten die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union eine virtuelle Krisensitzung abhalten, um – u. a. bei den Notenbanken und Entwicklungsbanken – etwa 10% des kontinentalen BIP (250 Milliarden Dollar) zu mobilisieren, und die Ausgaben grenzübergreifend miteinander abstimmen.

Es sollten zudem den ganzen Kontinent umfassende Maßnahmen verabschiedet werden, um die Koordinierung der nationalen Steuerpolitiken zu verbessern, den Steuereinzug zu steigern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, sodass alle Länder ihre nationalen Gesundheitssysteme stärken können. Besonders die beschleunigte Umsetzung der Panafrikanischen Freihandelszone (AfCFTA) würde für zusätzliche Haushaltsspielräume sorgen. Eine aktuelle Untersuchung hat gezeigt, dass einige wenige problemlos umsetzbare handelspolitische Maßnahmen – wie die Aufhebung der gegenwärtigen bilateralen Zölle und aller nichttarifären Hemmnisse für den Handel mit Waren und Dienstleistungen auf dem Kontinent sowie die Verringerung der für den Grenzübertritt erforderlichen Zeit – 134 Milliarden Dollar jährlich generieren würde; das sind 4,5% von Afrikas BIP.

Zweitens braucht Afrika eine spezielle internationale Finanzfazilität, die darauf zielt, sein künftiges Produktivitätswachstum zu steigern. Eine derartige Initiative würde Notausgaben für die Gesundheitssysteme in Ländern mit beschränkten Haushaltsspielräumen unterstützen und zugleich die Binnennachfrage ankurbeln. Darüber hinaus würde sie helfen, den Bau einer profitablen Infrastruktur in wettbewerbsfähigen Sektoren zu finanzieren, und damit die Grundlagen für eine künftige Industrialisierung und mehr Wachstum schaffen.

Diese Finanzfazilität könnte zunächst über einen Kapitalstock von einer Billion Dollar finanziert werden, der von institutionellen Anlegern, regionalen Entwicklungsbanken, dem privaten Sektor und den G20-Regierungen stammen würde. Sie würde globale Ersparnisse in renditestarke Projekte mit erheblichen Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung und die Beschäftigung lenken. Eine derartige Finanzfazilität würde letztlich eine sich selbst tragende öffentliche Finanzierung für Afrikas Gesundheits- und Sozialsektoren hervorbringen, die sich verbreiternde Kluft zwischen Reich und Arm verringern und dafür sorgen, dass der Kontinent einen wichtigen Beitrag zur globalen Nachfrage leistet.

Drittens sollten bestehende Währungsarrangements und Regelungen für den Finanzsektor, die die externe Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der 14 Länder der CFA-Franc-Zone, deren Währung derzeit an einen starken Euro geknüpft ist, beeinträchtigen, reformiert werden, um Wechselkursflexibilität zu ermöglichen. In ähnlicher Weise sollten Maßnahmen wie der US African Growth and Opportunity Act und die EU-Initiative Everything but Arms, in deren Rahmen Importe aus Afrika zoll- und quotenfrei gestellt sind, allen afrikanischen Ländern ohne politische Vorbedingungen offenstehen.

Und schließlich sollte für afrikanische Länder mit guter Regierungsführung ein umfassender Schuldenerlass in Betracht gezogen werden. Der Kontinent hat derzeit externe und interne Schulden in Höhe von 500 Milliarden Dollar, und die mittlere Schuldenquote ist von 38% in 2008 auf 54% in 2018 gestiegen. Durch den von ihr bedingten Zusammenbruch der Exporte und Terms of Trade verursacht die COVID-19-Pandemie in den afrikanischen Ländern ein negatives Pro-Kopf-Wachstum. Ohne einen Schuldenerlass und ohne Maßnahmen, um die Transparenz und Verwaltung von Afrikas Schulden zu verbessern, werden die Schuldenstände angesichts des Finanzbedarfs und Bevölkerungswachstums des Kontinents schon bald nicht mehr zu bewältigen sein.

Die COVID-19-Pandemie dürfte Afrika hohe menschliche, finanzielle, wirtschaftliche und soziale Kosten aufbürden. Doch bietet die Krise zugleich Gelegenheit, die fiskal- und wirtschaftspolitischen Prioritäten des Kontinents erneut zu überprüfen, stärkere Gesundheits- und Sozialsektoren aufzubauen und einen globalen Fonds zur Unterstützung produktiver Investitionen einzurichten.

Dieser Kommentar spiegelt die persönliche Meinung des Verfassers wider und nicht notwendigerweise die Ansichten der Weltbank und der mit ihrer verbundenen Organisationen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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