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Macrons Fehltritt ist Europas Verlust

PARIS – Haben die Proteste der Gelbwesten in Frankreich ähnliche Folgen wie die Massendemonstrationen im Mai 1968? Um dies sagen zu können, ist es noch zu früh. Die Revolte hat den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zwar zu großen und teuren Zugeständnissen gezwungen, aber sie ist wohl kaum eine neue französische Revolution. Auch wenn einige Demonstranten gegen ihren (gewählten) Monarchen sicherlich an die „Heldentaten“ ihrer Vorfahren anknüpfen wollten, sind wir nicht im Juli 1789.

Und der Aufstand vom Mai 1968, so sollten wir uns erinnern, wurde größtenteils von einer gelangweilten Generation von Studenten geführt, die auf dem Gipfel des französischen Nachkriegswohlstands lebten. Obwohl sich die Wirtschaft damals über Vollbeschäftigung freute, rebellierten sie im Namen dubioser Utopien im Sinne von Fidel Castros Kuba und Maos China gegen den Status Quo. Und dann schlossen sich ihnen die gut organisierten Handelsgewerkschaften an, die der Bewegung halfen, zumindest zeitweise eine kritische Masse zu erreichen.

Der Unterschied zwischen damals und heute ist, das diejenigen, die auf die Straße gehen, um gegen Macrons geplante Benzinsteuererhöhung zu protestieren, nicht von Utopien angetrieben werden, sondern von Verzweiflung. Dabei ähnelt der Aufstand der Gelbwesten einem französischen Brexit – insofern, als dass er sich ebenfalls selbst ins Knie schießt. Während die Briten dazu an die Wahlurne gingen, bauen die Franzosen Barrikaden, nehmen an Aufmärschen teil und werfen Steine.

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