roach148_ JOHANNES EISELEAFP via Getty Images_chinashanghai Johannes Eisele/AFP via Getty Images

Das Klagelied eines China-Optimisten

NEW HAVEN – Die vergangenen 25 Jahre war ich die meiste Zeit ein angeborener China-Optimist. Zu dieser Ansicht gelangte ich erstmals während der asiatischen Finanzkrise von 1997-98. Das sogenannte ostasiatische Wachstumswunder lag in Trümmern, und China wurde weithin als der letzte Dominostein dargestellt, der in der damaligen ersten Krise der Globalisierung fallen würde. Nachdem ich in dieser Zeit als Chefvolkswirt von Morgan Stanley immer wieder in die Region gereist war, hatte ich die Macht des marktwirtschaftlichen Wandels in China schnell zu schätzen gelernt. Daher vertrat ich im März 1998 in der Financial Times mit meinem ersten veröffentlichten Kommentar über China („The Land of the Rising Dragon“) eine ganz andere Ansicht.

Mein Argument war, kurz gesagt, dass China Japan als neuen Motor für das Asien nach der Krise ablösen würde. Japan taumelte, nachdem seine Blase implodiert war, während ein reformorientiertes China das nötige Kleingeld, die Entschlossenheit und die Strategie besaß, um die Ansteckung der Währung durch einen verheerenden externen Schock zu überstehen und ein schnelles Wirtschaftswachstum zu erzielen. Als China, begünstigt durch seinen Beitritt zur Welthandelsorganisation Ende 2001, seine Erwartungen erfüllte und Japan in seinem zweiten verlorenen Jahrzehnt versank, hob die chinesische Wirtschaft wie eine Rakete ab.

Für mich war es der Beginn einer außergewöhnlichen Reise als China-Optimist an der Wall Street. Im Frühjahr 1998 verbrachte ich einen Tag in Seattle mit dem damaligen chinesischen Finanzminister Xiang Huaicheng. Er hatte meinen Artikel in der FT gelesen und wollte einen Meinungsaustausch über die chinesische und die amerikanische Wirtschaft. Er forderte mich auf, China weniger mit Blick auf die alten Staatsunternehmen zu betrachten, sondern vielmehr durch die Linse einer rasch aufkommenden unternehmerischen Subkultur, die von Township-Village Enterprises (TVEs) getragen wird.

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