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Der lange, heiße Sommer: Amerika steht erneut in Flammen

NEW YORK – Könnte den Vereinigten Staaten eine Wiederholung des Sommers 1968 bevorstehen? Auch damals sah die Welt wie der Zorn wütender Menschen in Amerika überkochte, als vorwiegend afroamerikanische Wohnviertel in Innenstädten in Flammen aufgingen und junge Menschen mit Tränengas beschossen, angegriffen und oft von Bereitschaftspolizei und Nationalgarde brutal geschlagen wurden.

Das Ergebnis der zivilen Unruhen war das, was einige Liberale in Amerika im Laufe dieses Jahres befürchten. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Richard Nixon versprach der
„schweigenden Mehrheit“, den „Nicht-Schreihälsen“ und den „Nicht-Demonstranten“, dass er Recht und Ordnung mit Gewalt wiederherstellen werde. Verwüsteten, zumeist afroamerikanischen Stadtvierteln wurden Bundesgelder entzogen und sie wurden weiter isoliert, weiße Vorstädter kauften mehr Waffen, und die Polizeikräfte wurden bewaffnet, als wären sie ein Zweig des Militärs.

Auch die Unruhen von 1968 begannen, wie die Proteste heute, mit Wut über die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in Amerika. Einen Tag, nachdem Martin Luther King Jr. erklärt hatte, dass „die Nation krank ist“, wurde er von einem weißen rassistischen Verbrecher erschossen. Die darauf folgenden Proteste waren nicht nur Ausdruck der Wut über Kings Ermordung, sondern auch über den Mangel an wirtschaftlichen Chancen und Bildungsmöglichkeiten, die das Ergebnis einer langen und oft gewalttätigen rassistischen Geschichte waren.

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