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Warum die Ukraine einen Schuldenerlass verdient

LONDON – Zusätzlich zu ihren vielen anderen Schwierigkeiten befindet sich die Ukraine mittlerweile auch in einem Showdown mit ihren Gläubigern. Anleger im Besitz hochverzinslicher Anleihen – viele davon mit hohen Abschlägen nach der russischen Annexion der Krim im letzten Jahr erworben – fordern die Rückzahlung in voller Höhe. Die ukrainische Regierung ihrerseits argumentiert, dass die finanziellen Schwierigkeiten des Landes – insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts und der dramatische Kursverfall des Hrywnja – die Schuldenlast untragbar werden lassen.

Die Auflösung dieser Pattsituation könnte die Zukunft der Ukraine ebenso bestimmen wie die militärische Konfrontation mit Russland. Die Entwicklungen der jüngsten Zeit führten das Land auf einen Weg, der noch vor kurzer Zeit unvorstellbar erschien. Zum ersten Mal in der postsowjetischen Geschichte der Ukraine verfügt das Land über eine Regierung, die willens und in der Lage ist, echte Reformen umzusetzen. Der Fortschritt der Ukraine ist allerdings überaus fragil. Ohne irgendeine Form des Schuldennachlasses könnte er leicht zunichte gemacht werden.  

Vor etwas mehr als einem Jahr verfügte die Ukraine über keinen gewählten Präsidenten oder einen anderen offiziellen Vertreter und auch über kein funktionierendes Parlament. Die politische Landschaft präsentierte sich zutiefst zerklüftet. Aufgrund der Maidan-Revolution, die Präsident Viktor Janukowitsch das Amt kostete, erfuhr die Zivilgesellschaft zwar eine neue Dynamik, aber sie befand sich in Aufruhr. Die Debatte über das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union sowie die von Russland unterstützte Rebellion im Osten schürten Spannungen im Hinblick auf Unterschiede, die im Leben der Menschen bis dahin nur eine geringe oder gar keine Rolle gespielt hatten.  

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