Plädoyer für Nichtvisionäre

OXFORD – Viele der jüngsten posthumen Ehrungen für Margaret Thatcher feierten sie als eine Politikerin der „Transformation“, die große Veränderungen bewirkte. Häufig wurde Bezug auf ihr amerikanisches Pendant Ronald Reagan genommen, der eine ähnliche Transformationskraft besaß. Interessanter ist jedoch ein Vergleich mit einem anderen Präsidenten, dessen Amtszeit sich ebenfalls mir ihrer überschnitt: George H. W. Bush.

Obwohl er oft als bloßer „transaktionaler“ Verwalter abgetan wird, zählt Bushs außenpolitische Bilanz zu den besten des letzten halben Jahrhunderts. Seine Regierung bewerkstelligte das Ende des Kalten Kriegs, den Zerfall der Sowjetunion und die Wiedervereinigung Deutschlands innerhalb der NATO – alles ohne Gewalt. Zur gleichen Zeit führte er eine große, von den Vereinten Nationen unterstützte Koalition an, die Saddam Husseins Angriff auf Kuwait abwehrte. Hätte er irgendeinen der Bälle fallengelassen, mit denen er jonglierte, wäre die heutige Welt um einiges schlechter.

Obwohl er als Präsident einen großen globalen Wandel miterlebte, hatte Bush laut eigener Aussage keine auf Veränderungen ausgerichteten Ziele. Bei der deutschen Wiedervereinigung widersetzte er sich dem Rat Thatchers und anderer, anscheinend aus einem Gefühl der Gerechtigkeit heraus und um seinem Freund, dem deutschen Kanzler Helmut Kohl, entgegenzukommen. Im Oktober 1989 reagierte Bush auf einen Anruf Kohls, indem er öffentlich erklärte, er „teile die Sorge, die einige europäische Länder im Hinblick auf ein wiedervereinigtes Deutschland hätten, nicht.“

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