Wenn China herrscht

WIEN: Für einen Europäer ist es dieser Tage verstörend, über die Zukunft nachzudenken. Amerika ist militärisch überfordert, politisch polarisiert und finanziell verschuldet. Die EU ihrerseits scheint am Rande des Zusammenbruchs zu stehen, und viele Nichteuropäer betrachten den alten Kontinent als abgedankte Macht, die die Welt noch immer mit ihren guten Manieren beeindrucken kann, nicht aber mit Mut oder Ehrgeiz.

Globale Meinungsumfragen aus den letzten drei Jahren zeigen übereinstimmend, dass viele dem Westen den Rücken kehren und – hoffnungsvoll, furchtsam oder beides – China die Hauptrolle übernehmen sehen. Wie es in dem alten Witz heißt: Die Optimisten lernen Chinesisch; die Pessimisten lernen, eine Kalaschnikow zu bedienen.

Und während eine kleine Armee von Experten argumentiert, dass man Chinas Aufstieg zur Macht nicht als gegeben hinnehmen sollte und dass seine wirtschaftlichen, politischen und demografischen Fundamente brüchig seien, sagt die gängige Meinung, dass Chinas Macht wächst. Viele fragen sich, wie eine globale Pax Sinica aussehen könnte: Wie würde sich Chinas globaler Einfluss manifestieren? Wie würde sich die chinesische Hegemonie von der amerikanischen Variante unterscheiden?

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