A man holds a Kurdistan's flags as he takes part in a demonstration John Thys/Getty Images

Wie die Palästinenser verdienen auch die Kurden einen Staat

JERUSALEM – Es stimmen heutzutage fast alle überein, dass das palästinensische Volk einen eigenen Staat verdient und nicht unter israelischer Herrschaft leben sollte. Die meisten Israelis teilen diese Ansicht, darunter selbst Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der zögernd sein eigenes Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung geäußert hat. Und in vielen westlichen Demokratien werden aus einer großen linksgerichteten Bevölkerungsgruppe heraus regelmäßig Demonstrationen für eine Unabhängigkeit Palästinas organisiert.

Das Argument für einen Palästinenserstaat ist in einem elementaren moralischen Anspruch auf nationale Selbstbestimmung verankert. In der Frage eben dieses Rechts für das kurdische Volk jedoch bleibt der Westen bisher in seltsamer und beschämender Weise stumm. Die westlichen Demokratien haben weder das Unabhängigkeitsreferendum der kurdischen Regionalregierung Ende September unterstützt noch haben sie ihre Stimme gegen die Drohungen der irakischen und türkischen Regierungen erhoben, das Bemühen der kurdischen Regierung um einen eigenen Staat gewaltsam zu unterdrücken.

Von offizieller Seite wird die Ablehnung der kurdischen Unabhängigkeit in der Europäischen Union oder den USA letzten Endes immer mit „Realpolitik“ begründet. Angeblich müsse die territoriale Integrität des Irak gewahrt werden, und die Unabhängigkeit der kurdischen Regionalregierung könne (aufgrund der großen kurdischen Minderheiten in diesen Ländern) die Türkei und den Iran destabilisieren.

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